Samurai 7: Der Ring des Windes (German Edition)
Ausländer verriet, unter einem breitkrempigen Strohhut verborgen. So hatten sie den Fluss unbemerkt überquert. Zumindest hatten sie das geglaubt …
»Hier sind sie!«, schrie ein Samurai wütend und bahnte sich den Weg durch das dichte Unterholz.
Jack und seine Freunde liefen schneller. Miyuki führte sie einen Hang hinauf. Der Boden wurde steinig und fiel dann wieder ab. Unvermittelt gelangten sie auf eine Lichtung aus festgetretenem Kies. Vor einem kleinen hölzernen Tempel blieb Miyuki stehen. Drinnen befand sich eine Buddhastatue. Sie blickte nach Osten, und der Anblick, der sich ihnen dort bot, war so atemberaubend schön, dass sie stehen blieben.
Das Meer erstreckte sich glasig blau wie ein Spiegel des Himmels zum Horizont, über dem golden leuchtend die aufgehende Sonne stand. Unzählige Inseln lagen schimmernd wie aus dem Meer aufsteigende Wolken auf dem Wasser und schienen miteinander zu verschmelzen. Unmittelbar vor ihnen am Fuß des Abhangs erkannten sie einen hufeneisenförmig geschwungenen Hafen und ein kleines Fischerdorf. Die Dächer mit ihren grauen und blauen Ziegeln zogen sich hangabwärts bis zum Ufer hinunter, wo an einem Steg friedlich vor sich hin dümpelnd eine kleine Flotte von Booten vertäut lag.
»Das Seto-Binnenmeer«, flüsterte Yori ehrfürchtig.
Auch Jack betrachtete die Aussicht staunend. Es war das erste Mal, dass er das Meer sah, seit er im Jahr zuvor Akiko in Toba verlassen hatte. Der Anblick löste eine Flut von Erinnerungen und Hoffnungen in ihm aus und er spürte einen Kloß im Hals. Vor seiner Ausbildung zum Samurai war er Schiffsjunge an Bord der Alexandria gewesen. Sein Vater hatte dort als Steuermann gedient. Sie waren von England aufgebrochen, um ihr Glück in der weiten Welt zu machen. Unterwegs hatte sein Vater ihm beigebracht, was ein Steuermann wissen musste, und ihm den Portolan gezeigt – ein unschätzbar wertvolles Logbuch, mit dessen Hilfe man die Weltmeere sicher befahren konnte. Sein Vater hatte ihn in die Geheimnisse des Logbuchs eingeweiht und der Portolan hatte sie zusammengeschweißt. Jack spürte das beruhigende Gewicht des Buchs in seinem Bündel. In Verbindung mit dem Anblick des Meeres beschwor es die Erinnerung an glücklichere Zeiten seines Lebens und er musste unwillkürlich lächeln. Das Meer rief ihn und schon fühlte er sich seinem Zuhause näher.
Miyuki war über die Aussicht weniger erfreut. »Wir stehen auf einer Landzunge, von der wir nicht mehr wegkommen!«
Ein Pfeil flog sirrend an ihnen vorbei und schlug mit einem dumpfen Laut in einen Pfeiler des Tempels.
»Wir müssen weiter«, drängte Jack. Ihre Verfolger hatten sie fast eingeholt. »Vielleicht können wir sie im Hafen abhängen und dann wieder umkehren.«
Die vier verließen den Schrein, rannten den gekiesten Weg hangabwärts und tauchten in die gewundenen, engen Straßen des Dorfes ein. Sie eilten an übernächtigten Fischern vorbei, zwischen geschlossenen Läden und Häusern hindurch und durch kleine Nebenstraßen. Hinter sich hörten sie die wütenden Rufe der Soldaten, die ihre Opfer aus den Augen verloren hatten. Sie rannten in eine schmale Gasse und an weiß getünchten Lagerhäusern vorbei. Dann endete die Gasse unversehens an einer Mauer.
»Wir müssen zurück!«, rief Miyuki erschrocken.
Die Freunde liefen zu der Straße zurück, von der sie abgebogen waren, hörten aber laute Schritte näherkommen. Rasch schlüpften sie hinter ein hölzernes Wasserfass und drückten sich flach an eine Mauer.
Im nächsten Augenblick tauchten zwei Samurai auf. Sie warfen allerdings nur einen flüchtigen Blick in die Straße und rannten weiter.
Jack seufzte erleichtert und flüsterte: »Sie haben sich aufgeteilt. Wir müssen uns vor den anderen in Acht nehmen.«
Er führte seine Freunde über die Straße und in eine Gasse auf der anderen Seite. Sie gelangten zu der vom Wasser überspülten Treppe des Hafens. Dort stand als Leuchtturm eine steinerne Laterne, die so hoch war wie ein kleiner Baum. Es roch salzig nach Seetang und Trockenfisch, was Jack wieder an seine Tage als Seefahrer erinnerte. Am Kai war der erste Fang bereits zum Verkauf ausgelegt – Körbe mit Garnelen und Gestelle mit Brassen, Makrelen, Ayus und anderen Meerestieren, außerdem große Töpfe mit Krabben, die zappelnd ihrem Schicksal zu entkommen suchten.
Am anderen Ende des Hafens tauchte eine zweite Gruppe von Samurai aus einer Nebenstraße auf. Bevor sie die Flüchtlinge entdecken konnten, hatte Miyuki
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