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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Sancha, so weit war, dass sie Toulouse den heißersehnten Erben gebar ...
    Den Erben? Sancha spürte ihr Herz schwer werden. Weshalb regte sich in ihrem Inneren erneut diese Stimme, die wider den Stachel löckte? Warum gab sie nicht einmal vor sich selbst zu, dass ihr Gemahl es noch immer mit dem Gesinde hatte? Da gab es wirklich nichts zu beschönigen: Roç lief zu den Mägden! Zu Rosaire, zu Fabrisse ... Still, still , Sanchie!, beruhigte sie sich, denn wer gab ihr das Recht, sich über ihren Gemahl zu stellen, nachdem ihr Herz in Wahrheit für Miraval schlug, mit dessen Schicksal sie offenbar unlösbar verknüpft war? Unlösbar? Sancha begehrte auf. Wer bestimmte das denn, wenn nicht sie selbst?
    Als der vage Gedanke sie streifte, dass womöglich einzig die Natur des Menschen die göttliche Ordnung mitunter zum Wanken brachte, und dass das so gewollt sein müsse, denn sonst hätte es Gott doch wohl besser gemacht, lachte sie fast verzweifelt auf.
    Im gleichen Augenblick senkte Graf Raymond die Arme. Die Schalmeien begannen zu kreischen, die Trommeln wirbelten, Beifall und Jubel brandeten auf. Selbst als sich Emmanuel Belcaire schwerfällig erhob, um zu sprechen, wollte sich der Lärm nicht legen.
    Belcaire wurde immer dicker. Sein knielanges, dunkles Wams stand wie ein wuchtiger Kasten von seinem Körper ab. Er keuchte hörbar, als er das Podest bestieg, sein Gesicht glänzte und der Schweiß lief ihm wie Tränen über die Wangen. Sein schneller Verstand hatte unter seinem Gewicht jedoch nicht gelitten. Den Treueid des ganzen Magistrats hinter sich, rief er mit donnernder Stimme Raymond zu: „König Pedro steht uns zur Seite, Sénher - wir haben es mit Freude vernommen. Er wird der Unverschämtheit der Franzosen ein Ende bereiten. Greifen wir also Montfort an! Greifen wir ihn an! Denn nur ein vollständiger Sieg über unsere Feinde kann die Fortsetzung des Kriegszuges gegen Euer Land und unsere Stadt verhindern.“
    Wieder stimmte das Volk begeistert zu. Mittlerweile war der Mond verschwunden und die Dunkelheit hereingebrochen. Fackellichter sprangen auf, als Roç das Wort ergriff. Sein Auftritt war einfach und ehrlich, sein Mut ansteckend, seine Sorgen nachvollziehbar, sein Lachen entwaffnend. Er besaß ein Gespür dafür, was das Volk hören wollte. Neidlos anerkannte Sancha, dass die Menschen ihn liebten. Am Schluss seiner kurzen Ansprache lachte er einmal wie befreit auf, dankte nach allen Seiten, winkte in die Menge und machte, obwohl die Lage so ernst wie nie zuvor war, den einen oder anderen Scherz mit den Leuten. „Geht jetzt beruhigt nach Hause, liebe Tolosaner“, rief er irgendwann, weil niemand weichen wollte, „unsere Stadt und unser Land werden bald frei sein!“
    Die Leute jedoch skandierten immer weiter „Viva Tolosa! Tolosa! Tolosa! Tolosa!“
    Fünf Männer mit hohen Hüten drängten heran und baten um Gehör. Der junge Graf gab den Soldaten den Befehl, sie durchzulassen, doch mit den jüdischen Kaufleuten durchbrachen noch andere die Absperrung und mit einem Mal belagerte eine riesige Menschentraube die Bühne.
    Auf Ro çs Zeichen hin, verließ Damian seinen Platz, um mit vorgehaltenem Schild die Gräfinnen zu schützen. Waren die Leute in ihrer Begeiserung toll geworden?
    „Tolosa! Tolosa!“, ging es wieder, Blumen regneten auf die Gräfinnen herab, doch plötzlich ging ein Aufraunen durchs Volk. Eine Menschengasse öffnete sich. Reiter erschienen. Tempelritter! Zwölf an der Zahl mit Gefolge. Vor der Estrade stiegen sie vom Pferd. Dienende führten die Rösser zur Jakobskapelle hinüber.
    Murrend machte das Volk Platz. Selbst die Juden wichen erschrocken zur Seite.
    Damian hielt den Atem an, als der Schein der Fackeln auf harte, von der Sonne verbrannte Gesichter fiel. Ein Knie gebeugt und gestützt auf ihre Langschwerter, machten sie den Grafen der Stadt ihre Aufwartung. Der letzte Jubelruf verstummte. Die Aufmerksamkeit der Umstehenden galt nun den stolzen Rittern. Trotz Kirchenbann waren sie in Toulouse geblieben, was Raymond ihnen hoch anrechnete. Würde sich der Orden heute offiziell auf die Seite Okzitaniens schlagen? Die Spannung, die über dem Platz lag, war fast körperlich zu spüren.
    Kein Wunder, dass niemand bemerkte, wie einer der beiden Knappen, die für Roçs Schutz zuständig waren, unversehens in der Dunkelheit verschwand.

    Das erste, was er vernahm, als er wieder zu sich kam, war ein sanftes Schaukeln und das gleichmäßige Geräusch irgendwelcher Riemen, die im

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