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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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fortwährenden Rhythmus ins Wasser klatschten. Patsch, patsch ...
    Olivier wusste nicht, was mit ihm geschehen war. Statt Graf Roç zu schützen, befand er sich mit einem Mal in einem Boot, das leicht dahinglitt. Auf der Garonne? Wo sonst! Er trug eine Binde vor den Augen, die Hände waren auf dem Rücken gefesselt, die Füße gebunden - und ihm war zum Kotzen übel. Als Panik in ihm aufstieg, bemühte er sich ruhig zu atmen, seine Gedanken zu ordnen. Doch gerade letzteres war nicht so einfach, denn in seinem Kopf herrschte das reinste Durcheinander.
    Seine letzte deutliche Erinnerung war, dass Graf Roç ihn beiseite schob, weil er mit den Juden hatte reden wollen. Damian? Wo war Damian zu diesem Zeitpunkt gewesen? Beim bärtigen … drüben, bei den Gräfinnen, wo er sein Schild so hielt, als gälte es statt Blumen einen Pfeilangriff abzuwehren! Er hatte keine Gabe für derlei Dinge, der Kleine. Immer übertrieb er. Aber dann ... Was war danach geschehen?
    Ein neuer Schwall von Übelkeit stieg ihm in seinen Mund. Etwas Scharfes befand sich darunter. Seine Zunge, seine Lippen ... sonderbar, alles pelzig und trocken. Er lechzte geradezu nach Wasser. Wasser?
    Wein! Das war es: Der Wein! Mare de Deu! Wie Schuppen fiel es ihm nun von den Augen. Dieser Page, der sich unterhalb der Estrade im Dunkeln herumgetrieben hatte, dort wo kein Fackellicht hinfiel. War er mit den Juden gekommen? Jedenfalls hatte er ihm einen Becher nach oben gereicht: „Trink, Bruder, trink!“
    Und wenn er, Olivier, nicht vorher diesen gesalzenen Fisch gegessen hätte ... Dennoch hatte er gezögert, sich umgesehen. Doch beide Grafen und auch der dicke Belcaire befanden sich im Gespräch mit der jüdischen Abordnung. Niemand achtete auf ihn. Da war er rasch in die Hocke gegangen, nur für einen Herzschlag. Und der kühle Wein war ihm kurz darauf regelrecht durch die Kehle gelaufen. Und dann?
    Je nun ..., an mehr konnte er sich nicht erinnern. Da spannte sich ein dichtgewobenes Linnen über sein Gedächtnis.
    Als er versuchte, sich auf die Seite zu drehen, brannte sein Nacken wie Feuer. Jemand musste ihm einen üblen Schlag versetzt haben. Fest stand, man hatte ihn entführt.
    Entführt? Olivier stutzte. Ihn?
    Beim bärtigen Ganymed, die Esel hatten den Falschen erwischt! Was Wunder, wenn sie fast gleich groß waren und dieselbe Uniform trugen.
    Patsch, patsch. Patsch, patsch. Patsch, patsch. Ruhig zog das Boot seine Bahn.
    Olivier atmete flach. Was würde ein Faidit an seiner Stelle tun? ... Das Messer! Ob es noch im Stiefel steckte? Kurz vor dem Aufbruch in die Stadt hatte es ihnen Graf Roc überreicht. „Zu eurem Ehrentag!“, hatte er gesagt und er, Olivier, hatte seines spontan Misericorde genannt.
    Olivier versuchte seine Füße zu bewegen. Sie waren eingeschlafen. Nach einer Weile schaffte er es, die Beine anzuziehen und seinen Oberkörper soweit nach hinten zu biegen, dass er mit den gefesselten Händen an die Stiefel reichte. Eine neue Welle heißer Übelkeit strömte vom Magen in seinen Mund, und er hoffte inständig, sich nicht gerade jetzt übergeben zu müssen.
    Es kostete ihn einigen Schweiß, bis er Misericorde in den Fingern hielt und beim ersten Versuch, den Hanfstrick zu durchtrennen, der seine Handgelenke fesselte, ritzte er sich tief in seinen linken Daumen. Doch irgendwann war es geschafft. Er hatte bewiesen, dass einem Faidit nichts unmöglich war. Olivier riss sich die Binde von den Augen, stopfte sie in sein Wams – wobei er verblüfft feststellte, dass er über dem Wappenrock einen alten Fetzen trug, eine Art Umhang, wie sie die Schäfer besaßen.
    Die Wunde, die er sich mit dem Messer zugefügt hatte, blutete. Der Daumen zuckte. Er steckte ihn in den Mund, doch der Geschmack nach Eisen verstärkte die fiese Übelkeit. Endlich befreite er sich auch von den Fußfesseln und dem härenen Zeug. Auf allen Vieren kroch er ein Stück nach vorne und peilte die Lage.
    Es war ein langes Boot, wie er es schon vermutet hatte, eine Art Frachtkahn. Seitlich lagerten irgendwelche Fässer.
    Mit einem Mal hörte er ein Lachen. Er zog den Kopf zurück, lauschte: Patsch, patsch. Patsch, patsch. Die Ruderblätter klatschten im bereits vertrauten Rhythmus. Seine Entführer – Olivier hatte zwei dunkle Schemen ausmachen können - hatten offenbar nichts bemerkt.
    Sein Atem ging schneller, als er sich an den Anblick aufgeschlitzter Kehlen erinnerte. Nur keinen Fehler machen!
    Noch immer auf den Knien, fuhr er vorsichtig mit dem rechten,

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