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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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des Schiffes darauf aufmerksam geworden wäre?“
    „Wir werden sehen, Falk“, hatte Sancha geantwortet. „Halte du die Augen gründlich offen!“

    Leichter gesagt, als getan. Hagelstein war müde. Er setzte sich zwischen zwei Findlinge, um vom Wind geschützt zu sein. "Es gibt drei Tore", flüsterte er wieder.
    Einundzwanzig Wörter. Ein mehr als dringlicher Verweis auf das 21. Kapitel der Offenbarung, zumal dort folgender Satz zu lesen war: Wer überwindet, der wird es alles ererben!
    Wird es alles ererben ... Falk biss sich auf die Unterlippe. Wilhelm von Montpellier hatte außerordentlich schwere Hürden errichtet, um sein Erbe in der Familie zu halten. Der Schatz sollte Damian zufallen, niemandem sonst. Sancha hatte aber anderes damit vor. Sie dachte an die Rettung von Toulouse und an ihr eigenes Ansehen. Ein nicht ganz uneigennütziger Plan also.
    Wer nicht fest und grad gesinnt, dessen Lehren sind ein Wind, hatte ihm sein Freund Freidank mit auf den Weg gegeben. Fest und grad gesinnt … In einem hatte Sancha allerdings recht: Wo wäre der Junge denn heute, wenn sie sich nicht für ihn eingesetzt hätte? Sie hatte ihm Schutz, eine neue Heimat, eine neue Familie gegeben - wie damals ihm, Falk von Hagelstein.
    Falk gähnte laut. Sein rechtes Bein schlief schon. Er erhob sich, schüttelte es wach - und nachdem es inzwischen so aussah, als lichtete sich der Nebel allmählich, setzte er sich in den Windschatten einer verkrüppelten Zwergpinie, auf einen mit Flechten bewachsenen Fels, um dort auf die Sonne zu warten. Er schlug die Beine übereinander, stützte den Ellbogen auf seinen Oberschenkel, schmiegte, wie er es oft beim Nachdenken tat, die rechte Wange in seine Hand ...
    Lange hatte er nicht mehr an seine Heimat und seine richtige Familie gedacht. An den Herrn Vater, dem von Bischof Eberhard von Bamberg ein krummstäbiges Lehen verliehen worden war - und der dasselbe blonde Haar besaß wie seine Kinder. Kinder? Eher wohlgeratene Bastarde, wie Damian einer war. Ja, oder wie die wilde Sancha! ...
    Karl war zwei Jahre älter gewesen als er, Falk. Katharina und Elisabetha, zwei und drei Jahre jünger. Gemeinsam hatten sie auf einer Veste gewohnt, hoch oben, im Norden des Dorfes Steynach. Die Veste, so hatte ihnen der Herr Vater erzählt, sei einst von den stolzen Hennebergern erbaut worden, zum Schutz der gen Bamberg ziehenden Kaufmannszüge. Fünf Wehrtürme wies sie auf und einen stattlichen Bergfried mit großzügigem Palas. An Mutters Kemenate dachte er besonders gern, dort war es im Winter warm und heimelig gewesen.
    Falk lachte leise in sich hinein, als er sich daran erinnerte, dass auch ihn als Kind vor allem das Verlies angezogen hatte. Doch im Unterschied zu Sanchas, war seine Kindheit früh zu Ende gegangen: Nach dem Tod des Vaters war die Mutter mit ihren Töchtern zu den Zisterzienserinnen ins Kloster Wechterswinkel gezogen.
    Deutlich erinnerte sich Falk an den nebligen Morgen, an dem er an Karls Hand nach Nürnberg aufgebrochen war, um dort beim Oheim Latein zu lernen. Doch trotz des Lehrgeldes, das ihnen die Mutter zugesteckt hatte, waren sie nicht aufgenommen worden. Der Oheim – die Nase wie der Schnabel einer Nachteule! – hatte geschrien: „Schert euch davon, elende Bankerte!“
    Auch in Bamberg, wohin sie in ihrer Not zurückliefen, hatte sie keiner haben wollen. Sie klopften an viele Türen, bis ihnen jemand einen böhmischen Adligen als Lehrer empfahl, der jedoch nur Falk, „den Jüngeren“, aufzunehmen bereit war. In der Nacht darauf verschwand Karl spurlos - und mit ihm die zweite Hälfte des für Falk vorgesehenen Entgeldes. Der Böhme Boleslâv behielt ihn trotzdem. Aus Gnade, wie er sagte.
    Boleslâv! Falk stöhnte leise ... War der seinerzeitige Verdacht, der Böhme könnte Karl getötet und irgendwo verscharrt haben, wirklich so abwegig gewesen? Nein! Weshalb sonst gärte die alte Geschichte noch immer in ihm.
    Er stand auf, trat an den Rand des Abgrundes, breitete weit die Arme aus und schrie dreimal in den Wind hinein: „Boleslâv, verrecke in der Hölle!“ Dann stieß er mit dem Stiefel nach einem Felsbrocken und beförderte ihn mit Schwung in die Tiefe.
    Jeden Montag Nachmittag hatten sie ausrücken müssen. Hinunter zum Main. Ruten schneiden, mit denen der Böhme sie später züchtigte. Einen nach dem anderen. Aufs nackte Hinterteil. Schrie einer der Zöglinge, packte Boleslâv ihn beim Nacken und schob ihn vor die Miniatur, die über seinem Pult hing: Sie zeigte

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