Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Herrschaftsrechte. Und zum Dritten: Die Pilger von Montgey sind nicht als aufrechte Christen, sondern als Verbrecher gekommen, um unser Land mit Feuer und Schwert zu verheeren. Ich bedaure nur eines, nämlich nicht noch mehr von ihnen getötet zu haben!“
Ein empörter Aufschrei auf Seiten der Kreuzfahrer und Prälaten, die sich sogleich hitzig ereiferten und aufblähten, während Raymond von Toulouse und die Seinen nur peinlich berührt auf ihre Hände starrten.
Innozenz, das Kinn mit dem kurzen, gekräuselten Bart vorschiebend, hob warnend die Brauen in Richtung Foix.
Doch Ramon übersah die Mahnung. Er war nicht zu halten: „Ich soll mit dem Schnabel eines Raben reden, Bischof Fulco?“, höhnte er mit alles übertönender Stimme. „Ausgerechnet Ihr maßt Euch an, über mich zu richten? Ihr, der Ihr ein zweifelhafter Troubadour gewesen seid, bevor Ihr Mönch, Abt und schließlich Bischof wurdet - und zu einem fanatischen Befürworter aller nur denkbaren Grausamkeiten!“
Ungeduldig machte Innozenz seinem Sekretär ein Zeichen. Die Tischglocke ertönte.
Der Heilige Vater erhob sich. „Wegen der gegen Euch und Eurem Sohn erhobenen Vorwürfe, Graf von Foix, wird es zusätzliche Untersuchungen geben.“ Und nun erteilte er rasch einem gewissen Raymond von Roquefeul das Wort, der den kleinen Sohn des ehemaligen Vizegrafen von Carcassonne vertrat.
Schlagartig trat Ruhe ein im Saal, denn in dieser Angelegenheit ging es ebenfalls um große Gebiete, die Montfort jedoch bereits zugesprochen waren.
Roquefeul sprach langsam und bedächtig, forderte jedoch für sein Mündel die vollständige Rückgabe der ehemaligen Ländereien des verstorbenen Raymond-Roger Trencavel.
Um das gallige Franzosengeschrei, das nun wie eine Sündflut über den Saal hereinbrach, zu unterbinden, blieb Innozenz keine Wahl, als erneut die Tischglocke läuten zu lassen und sich zu erheben.
„Wir sind zusammengekommen, um die Streitigkeiten zu beenden“, sagte er in bemüht ruhigem Tonfall. „Daher erklären Wir Uns bereit, dem Grafen von Montfort die Gebiete der überführten Ketzer zu überlassen, nicht aber diejenigen der Rechtgläubigen oder der Helfershelfer der Häresie, die Reue gezeigt haben. Auch die Domänen der Witwen und Waisen müssen, um keine Rechtsverweigerung zu begehen, unangetastet bleiben.“
Mit rotem Kopf legte nun Guido von Montfort Einspruch ein - und es gab keinen Prälaten des Kreuzzugs im Saal, der ihn nicht unterstützt hätte. Selbst Thedisius stellte sich nun wieder offen auf Montforts Seite. Der ehemalige päpstliche Legat – eine auffällig geschmeidige Erscheinung in weinroter Tunika mit engen Ärmeln und einem gleichfarbigen flachen Galero auf dem Kopf, jedoch ohne Quasten - hatte es vor kurzem zum Bischof von Agde gebracht. Nun forderte er den Heiligen Vater mit wohlgesetzten Worten auf, Montfort alle von ihm eroberten Gebiete zuzusprechen - worauf wiederum den Baronen des Südens der Kamm schwoll.
„Lug und Trug sind so verbreitet, dass sie der Schein des Rechts begleitet!“, schrie Foix durch den Saal und war kaum zu beruhigen.
Arnaud Amaury, der Erzbischof von Narbonne, meldete sich zu Wort - und überraschte beide Seiten; denn damit, dass er als Geistlicher Heerführer des Kreuzzugs aus Montforts Lager ausscheren könnte, hatte wirklich niemand gerechnet. Nachdem er den endgültigen Verlust des von ihm heiß ersehnten Herzogtums Narbonne befürchtete, wenn Montfort alle Rechte und Ländereien in Okzitanien erhielt, befürwortete die Biene nun den überaus „kluuugen“, vorausschauenden und „barmheeerzigen“ Vorschlag des Heiligen Vaters.
Daraufhin kam es abermals zu tumultartigen Auseinandersetzungen innerhalb des Montfort-Lagers. Der Graf dürfe keinesfalls fallen gelassen werden, argumentierten emsig vor allem die anwesenden Prälaten des Kreuzzugs, denn im anderen Fall seien alle Anstrengungen umsonst gewesen und die Häretiker würden nur wieder Aufwind bekommen.
Uneins und absolut ungewiss wie Innozenz urteilen würde, ging man am späten Abend auseinander.
Der Heilige Vater ließ sich Zeit. Erst am Tag nach dem Gedenktag der Heiligen Lucia von Syrakus fällte er seine endgültige Entscheidung. Zu diesem mit Spannung erwarteten Ereignis erschien er mit der Pfauenfeder-Tiara auf dem Kopf und überraschte mit einer Kehrtwendung beide Lager. Plötzlich befand er Raymond von Toulouse de facto der Ketzerei schuldig, erkannte ihm die Grafenkrone ab, enteignete ihn und zwang ihn, im Exil
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