Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
strich sich über den kurzgehaltenen weißen Kinnbart. „Ich bin ebenfalls ein katholischer Herrscher, wenn auch alt und krank", klagte er bitter. "Obendrein bin ich der Vetter des Königs von Frankreich, der Schwager des Königs von England - und natürlich der Eure, Don Pedro, doch Rom ... Rom behandelt mich wie den letzten Verbrecher!“
Sancha hörte, wie neben ihr Leonora mit einem Mal schwer atmete. Die Sorge der Schwester um Raymonds Gesundheit war nicht unbegründet. Sie, Sancha, hätte schwören können, dass der Alte Theriak nahm, um sich zu beruhigen. Verdenken konnte sie es ihm nicht.
Nun schlug er mit der Hand auf den Tisch und fuhr mit lauter Stimme fort: „Dem Feldzug gegen mein Land muss Einhalt geboten werden, denn ich bin keines der Vergehen schuldig, deren man mich bezichtigt. Ich bin kein Ketzer", betonte er wieder, "aber um die Religion allein geht es längst nicht mehr. Hier ist der Beweis für meine Behauptung!" Auf sein Zeichen trat Elzéar, der Vogt, an den Tisch und überreichte Raymond eine Pergamentrolle, von der glänzend rote Siegel herabbaumelten.
„Hélas, Don Pedro", sagte der Graf, nachdem er das Schriftstück ausgebreitet hatte, "seht Euch die Auslieferungsliste des Bischofs meiner Stadt an."
„Von Eurem Erzfeind Fulco?"
Raymond nickte.
Die beiden Regenten beugten sich über das Pergament und der Vogt deutete auf verschiedene Namen. "Ist es nicht erstaunlich, Hoheit“, sagte Elzéar zum König, „dass sich unter denen, die an Montfort ausgeliefert werden sollen, kaum fanatische Prediger der Katharer befinden, dafür aber auffällig viele gut betuchte Leute, vor allem Juden? Genauso verhielt es sich in Béziers vor zwei Jahren.“
„Klein-Jerusalem“, brummte Pedro, „ich erinnere mich. Auch daran, dass der junge Trencavel seinerzeit eine ansehnliche Zahl jüdischer Bürger nach Carcassonne in Sicherheit gebracht hat. Eine Tragödie ...“
Raymond nickte betrübt. „Bei meiner Seel`, Don Pedro, das Schicksal meines Neffen lässt mich noch heute nicht schlafen.“
Endlich merkte auch Leonora auf. „Erinnert ihr euch auch noch an das Hochzeitsfest des Trencavel? Als am helllichten Tag ein schweres Gewitter über Carcassonne hereinbrach? Und das im Monat Februar? Der Himmel wurde erst violett, dann schwarz wie die Nacht. Es war wie in Golgatha, als sie unseren HERRN ans Holz nagelten.“ Sie seufzte tief und bekreuzigte sich. „Die Rösser scheuten, Zelte rissen entzwei. Selbst die schweren Turnierstangen flogen nur so durcheinander."
"Ein schlechtes Omen war das für ihn, Leonora, fürwahr“, sagte Raymond. „Fünf Jahre später war er tot."
Sancha schluckte. Der Trencavel war in ihrem Alter gewesen. Rasch bekreuzigte auch sie sich.
„Er hat Fehler gemacht“, sagte der König leise.
"Das stimmt, Don Pedro“, gab Raymond zu. „Doch dieses Pergament hier beweist, um was es den Baronen der Kreuzfahrer in Wirklichkeit geht. Das Volk sagt, sie fressen unser Korn und saufen unseren Wein. Ich sage, sie reißen unser Land an sich und sie werden vom Heiligen Vater dazu angestiftet. Zieht nach Toulouse“, hat Innozenz die Welschen und Alemannen aufgefordert, nehmt ihnen ihre Ländereien weg und setzt Katholiken hinein! Mein Neffe, so jung wie er noch war, hat es ihnen auf den Kopf zugesagt. Deshalb musste er sterben.“
Pedro zog die Wangen ein, spitzte den Mund, schwieg.
Sancha ließ ihn nicht aus den Augen. Plagte ihn das Gewissen, weil er dem Trencavel, der doch sein Vasall gewesen war, nicht hatte helfen können? „Bei Gott, der Vizegraf könnte noch leben!“, behauptete sie, den Bruder in Schutz nehmend. „Warum hat er nicht wenigstens hundert Katharer ausgeliefert?“
Hätte sie nur geschwiegen! Die Blicke ihres Gemahls und seines Vaters trafen sie wie Blitze, ja, selbst Miraval fühlte sich offenbar von ihr angegriffen.
„Jede Münze hat zwei Seiten, Doña Sancha“, belehrte er sie in einem Tonfall, als hätte er ein närrisches Kind vor sich. Und Roç meinte sogar herablassend, dass doch inzwischen jeder Bauer wisse, dass Montfort seine Barone durch Versprechungen auf Titel und eigenes Land bei der Stange hielte und ihnen darin auch noch ein glänzendes Vorbild sei. Ja, die schwarzen Augen ihres Jungen funkelten richtig zornig, als er sich mit noch harscheren Worten an den König selbst wandte: „Weshalb verbünden wir uns nicht, Don Pedro, und ziehen mit allen wehrhaften Leuten, also einem großen Heer und schwerem Kriegsgerät, gegen diese
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