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Arabische Nächte

Arabische Nächte

Titel: Arabische Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Parker
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    1
    Bagdad 1808
    »Alhamdolillah! Lass mich e i n echtes Abenteuer erleben, ehe ich sterbe!«
    Japonica Fortnom spähte durch das mashrabiyah, ein von feinem Schnitzwerk gebildetes Holzgitter, durch das man aus dem Raum hinaus-, aber nicht hineinsehen konnte. Das Erkerfenster bot Ausblick auf Bab al-Shaykh, einen alten Stadtteil Bagdads, dessen türkisfarben gekachelte Kuppeln und schlanke Minaretts in der Morgensonne schimmerten. Kalifensitz und einst Heimat von Ali Babas legendären vierzig Räubern war es nun eine Stadt, in der nach wie vor Intrigen und Verrat mit dem Handel um die Vorherrschaft stritten - ein Ort jedenfalls, wo ihr Stoßgebet vielleicht Erfüllung fände.
    Als eine Fortnom der dritten Generation entstammte sie einem Zweig der berühmten Londoner Fortnums, den Gründern von Fortnum und Mason, Kolonialwaren. Ihren Großvater hatte es vor vielen, vielen Jahren mit der East India Company nach Bushire verschlagen, einer Hafenstadt an einem der uralten Handelswege Persiens. Er ließ sich dort nieder, heiratete und gründete eine Familie, die aus unerfindlichen Gründen hinfort ihren Namen Fortnom schrieb. Während das Oberhaupt des englischen Zweiges im Dienst der Königin Charlotte vom königlichen Lakaien zum Hofpagen aufstieg, wurden aus den Fortnoms Abenteurer. Als Mitglieder der Company durchstreiften erst der Vater, dann der Sohn den indischen Subkontinent auf der Suche nach Tee, Gewürzen und Spezereien, mit denen sie ihre Londoner Vettern belieferten. Die Vorliebe der Fortnoms für Exotik brachte ihnen von Seiten ihrer englischen Verwandtschaft den Spitznamen >Inder< ein - ein Name, der ganz und gar nicht als Kompliment gemeint war, wie ihre Mutter einst gestand. Aber sie führten kein langweiliges Leben.
    Japonica seufzte. So ganz stimmte das nicht. Ihr Dasein verlief ziemlich trist und eintönig, seit vor zwei Jahren das Schiff ihres Vaters in einem Monsunsturm vor Kalkutta gesunken war. Da ihr altes Leben und die von ihr gehegten Abenteuerträume der Vergangenheit angehörten und sie nun im Dienst der Company ihr Heilkräuterwissen nutzte, überkam sie zuweilen das Gefühl, dass es niemandem auffallen würde, wenn die Welt sich auftäte und sie als Ganzes verschlänge.
    Dann aber, Wunder über Wunder, hatte die Company sie nach Bagdad geschickt, wo sie die Pflege von Lord Abbott, Viscount Shrewsbury, übernehmen sollte, der an einem hartnäckigen Fieber litt, von dem kein Arzt ihn zu heilen vermochte.
    Vielleicht forderte sie heute ihr Schicksal heraus, indem sie das Gebet flüsterte - doch konnte sie nicht an sich halten.
    »Alhamdolillah! Lass mich ein echtes Abenteuer erleben, ehe ich sterbe!«
    Das Gebet hatte sie sich in dem Sommer, als sie zehn wurde, ausgedacht. Damals waren ihre Eltern das erste Mal allein zu ihrer alljährlichen Expedition aufgebrochen und hatten sie zurückgelassen, mit der Erklärung: es wäre Zeit, dass ihr einziges Kind in Literatur, freier Rede, Benehmen, Tanzen und Zeichnen Unterricht erhielte. Mit anderen Worten, sie erachteten es als nötig, dass sie sich Bildung aneignete.
    »Eines Tages wirst du mehr sein als die Tochter eines Krämers. Du wirst eine vornehme Dame werden«, pflegte ihre Mutter zu sagen. »In diesen Kreisen erlebt man alle möglichen wundervollen Abenteuer.«
    Wieder seufzte Japonica und kehrte dem Fenster den Rücken. »Ach, Mama, was für eine Enttäuschung ich gewesen sein muss!«
    Von ihrem Vater hatte sie die rasche Auffassungsgabe und Beharrlichkeit geerbt - ein Nebenprodukt ihrer roten Haare, wie er behauptete. Leider aber hatte sie nichts von seinem legendären Charme oder auch nur eine Spur der auffallenden Schönheit ihrer Mutter mitbekommen.
    Sie erhob sich v on ihrem Lager und schüttete Wa sser in eine Schüssel, um ihr Gesicht zu waschen. Anders als ihre Frau Mama warf sie nur selten einen Blick in den Spiegel. Ihr Äußeres kannte sie allzu gut. Karottenrote Locken umrahmten runde Wangen, eine unscheinbare Nase und einen Mund, den andere Damen oft als >etwas zu großzügig< bezeichneten und der bei ihrer Haarfarbe zu stark auffiel. Es war kein Gesicht, das Männer ihre Selbstbeherrschung mit allen Folgen vergessen ließ. Ganz sicher erregte es kein Aufsehen oder stürzte gar einen Thron! Nein, höchstens bewog es eine junge Frau, Gebete um Erlösung von Langeweile zum Himmel zu schicken.
    Japonica rieb ihre Stirn trocken und griff nach ihrem Kleid aus indischem Musselin. Mit ihren zwanzig Jahren hatte sie

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