Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
halten. Er lässt Tauben aufsteigen, musst du wissen ...“
Geschwind stieg sie aus dem Wasser, ließ sich von Gala abtrocknen und von Zibelda das seidene Unterkleid überstreifen. Dann öffnete sie mit fliegenden Händen die Nachricht.
„Der Himmel sei gepriesen!“, rief sie. „Montfort hat Toulouse freigegeben!“
Zibelda und Gala fielen neben ihr auf die Knie, um der heiligen Jungfrau zu danken.
Die meisten Frauen von Zaragoza waren rechtgläubig und sehr fromm, obwohl es auch in dieser Stadt christliche Häretiker gab, die nicht durch die Tür in den Schafstall des HERRN einstiegen, wie Zibelda zu sagen pflegte, sondern sich auf anderem Wege Eintritt verschafften. Nachdem jedoch Pedro die Todesstrafe für Ketzerei verhängt hatte, waren viele Katharer in die Lombardei oder nach Okzitanien gezogen, wo sie glaubten, ihre Religion offener leben zu können. An der Rechtgläubigkeit der Grafenfamilie von Toulouse zweifelte in Zaragoza dennoch niemand. „Pedro hätte sich eher eine Hand abgehackt“, pflegte Zibelda zu sagen, „als seine Schwestern gottlosen Ketzern zu überlassen!“
Sancha, obwohl sie seit ihren nächtlichen Disputen mit Miraval ahnte, dass es nicht nur in weltlichen Fragen mehr als eine Wahrheit gab, hatte nicht vor, die Amme zu verunsichern. Auch verschwieg sie ihr bewusst die weitere Botschaft, die ihr Cadeil geschickt hatte.
„Jetzt kleidet mich vollends an“, rief sie, als sie zu Ende gebetet hatte. „Das Gewand von der Farbe wilden Safrans. Ich will meinen Geschwistern selbst die frohe Botschaft überbringen!“
Doch als Zibelda die Ärmel an der enganliegenden Cotte befestigte, besann sich Sancha anders. „Hol mir den Schreiber“, befahl sie Gala und eilte mit nur einem Ärmel und noch immer feuchtem Haar, das wie schwarzer Turmalin schimmerte, zu ihrem Pult. Dort legte sie Pergament und Federn zurecht und öffnete das Tintenfass. Dann blieb sie steif stehen, um sich den zweiten Ärmel anlegen zu lassen und strich dabei nachdenklich mit der anderen Hand über die Biegung ihrer Nase.
„ Dulzura , meine Süße“, säuselte Zibelda hinter ihrem Rücken, „um diese Stunde pflegtest du früher nie ...“
„Still! Ich muss nachdenken ...“
Als Gala mit dem Schreiber zurückkam – einem dürren Mann mit gelbteigigem Gesicht – forderte sie ihn auf, an der Tür zu warten.
Sie tauchte selbst den Gänsekiel in die Tinte, strich ihn hastig am Rand des hölzernen Fässchens ab, und setzte zum Schreiben an. Die Feder kratzte zuerst, flog dann aber bald wie ein Segelschiffchen im Wind über`s Pergament. Sie schrieb und schrieb, trocknete eigenhändig die Tinte, las das Geschriebene noch einmal aufmerksam durch, faltete und siegelte es. „Ein schneller Reiter soll die Nachricht nach Toulouse bringen!“
Das Siegelwachs war noch feucht, als der Schreiber schon davoneilte.
Fast atemlos platzte sie kurz darauf in Leonoras Gemach. „Die Störche waren in der Tat ein gutes Omen! Eine Eilnachricht aus Mozón. Der Graf von Montfort hat das Weite gesucht!“, sprudelte es nur so aus ihr heraus. „Unsere Gemahle sind vorerst außer Gefahr. Wir könnten also noch vor dem Winter wieder in Toulouse sein, wenn wir uns zeitig auf den Weg machen!“
Wie immer in den Stunden des Morgenlichtes war Leonora in der Nähe des Fensters gesessen, um zu sticken. Nun legte sie die Handarbeit beiseite. Sie umarmte die Schwester, weinte vor Freude und Erleichterung und willigte augenblicklich ein, nach Toulouse zurückzukehren.
Pedro jedoch, bereits im gesteppten Lederwams, das er unter seiner Rüstung zu tragen pflegte, untersagte seinen Schwestern eine Rückreise vor dem nächsten Frühling, so sehr ihn diese auch anflehten.
„Tauben“, meinte er abfällig. „Die Nachricht, die Cadeil erhielt, ist völlig ungesichert. Ehe nicht eine offizielle Bestätigung meiner Gewährsleute vorliegt, lasse ich euch nicht reiten. Das bin ich Raymond schuldig. Hier in Zaragoza seid ihr sicher.“
„Aber es kann lange dauern, bis du wieder aus dem Feld zurück bist, Pedro, und die Tempelritter haben ausreichend Erfahrung mit den Tauben, das hat mir Cadeil versichert, und ...“
„Schweig, Sancha! Auf die Templer bin ich gerade heute nicht gut zu sprechen. Hätten sie sich seinerzeit nicht feige aus Calatrava zurückgezogen, wären die Almohaden nicht so frech geworden. Es ist mehr als ein Kräftemessen, das uns - Aragón und Navarra – nun bevorsteht, vermutlich brauen sich schwere Kriegswolken über uns
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