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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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zu bewahren sie sich verpflichtet hatten, war machtvoll und gefährlich, und egal wie gut man einen Anwärter auch vorbereitete, wenn der Augenblick kam, war es manchmal schlicht zu viel. Bedauerlicherweise war jemand, der die Last des Geheimnisses nicht tragen konnte, fast genauso gefährlich wie das Geheimnis selbst. In diesen Fällen war es sicherer und vielleicht auch gnädiger, das Leiden desjenigen so schnell wie möglich zu beenden.
    Bruder Samuel war solch ein Fall gewesen.
    Und nun war er verschwunden.
    Solange er sich in Freiheit befand, war das Sakrament in Gefahr.
    »Findet ihn«, befahl der Abt. »Sucht noch mal das Gelände ab. Dreht jeden Grashalm um, wenn es sein muss, aber findet ihn.«
    »Jawohl, Vater Abt.«
    »Solange die Engel sich seiner nicht erbarmt haben, ist er gestürzt, und er muss irgendwo in der Nähe aufgeprallt sein. Und wenn er nicht gefallen ist, dann muss er sich irgendwo in der Zitadelle befinden. Also sichert sämtliche Ausgänge und durchkämmt jeden Raum, bis ihr entweder Bruder Samuel oder seine Leiche gefunden habt. Hast du verstanden?«
    Er trat die Kupferschüssel ins Feuer. Eine Dampfwolke stieg empor und erfüllte die Luft mit einem unangenehmen, metallischen Gestank. Der Mönch starrte weiterhin zu Boden und wartete verzweifelt darauf, entlassen zu werden, doch der Abt war in Gedanken woanders.
    Als das Zischen verklungen war und das Feuer sich wieder beruhigt hatte, schien auch der Abt sich wieder entspannt zu haben.
    »Er muss gesprungen sein«, sagte er schließlich. »Also muss seine Leiche auch irgendwo auf dem Gelände liegen. Vielleicht ist er ja in einem Baum gelandet. Vielleicht hat ihn im Fall ja eine Bö erfasst, und jetzt liegt er an einem Ort, an den ihr noch nicht gedacht habt. Aber wir müssen ihn noch vor Sonnenaufgang finden ... bevor die Touristenbusse kommen.«
    »Wie du wünschst.«
    Der Mönch verneigte sich und schickte sich an zu gehen, doch ein Klopfen erschreckte ihn. Er schaute auf und sah einen weiteren Mönch kühn den Raum betreten; der Mann hatte noch nicht einmal darauf gewartet, dass der Abt ihn hereinbat. Der Neuankömmling war klein und schlank, und sein kantiges Gesicht und die tief in den Höhlen liegenden Augen verliehen ihm ein Aussehen panischer Intelligenz, als verstehe er mehr, als er verstehen wollte. Dennoch strahlte er eine ruhige Autorität aus, obwohl er nur die braune Soutane der Administrata trug, des niedrigsten Ranges in der Zitadelle. Es war der Kammerherr des Abts, Athanasius, ein Mann, den man im ganzen Berg sofort erkannte, denn im Gegensatz zu den ansonsten langhaarigen und langbärtigen Mönchen war er vollkommen kahl. Athanasius warf einen Blick auf den Besucher des Abts, sah die Farbe der Soutane und wandte sich sofort ab. Laut den strengen Regeln der Zitadelle waren die ›Grünkittel‹, die Sancti, von den anderen isoliert. Als Kammerherr des Abts lief Athanasius dem einen oder anderen schon mal über den Weg, doch jegliche Form der Kommunikation mit ihnen war verboten.
    »Bitte, verzeih mein Eindringen, Vater Abt«, sagte Athanasius und strich sich bedächtig über den kahlen Kopf – das tat er immer, wenn er unter Stress stand. »Ich möchte dich nur darüber informieren, dass Bruder Samuel gefunden worden ist.«
    Der Abt lächelte und breitete die Arme aus, als wolle er die gute Nachricht umarmen.
    »Da hätten wir’s ja«, rief er. »Alles ist wieder im Lot. Das Geheimnis ist bewahrt und die Sicherheit unseres Ordens wiederhergestellt. Sag mir, Athanasius, wo habt ihr die Leiche entdeckt?«
    Noch immer strich der Kammerherr sich mit der Hand über den blassen Schädel. »Es gibt keine Leiche.« Er hielt kurz inne. »Bruder Samuel ist nicht vom Berg gesprungen. Er ist aus dem Fenster geklettert . Man hat ihn in gut dreihundert Meter Höhe auf der Ostseite entdeckt.«
    Der Abt ließ die Arme sinken, und erneut schlich sich ein Schatten auf sein Gesicht.
    Vor seinem geistigen Auge sah er die vertikale Granitwand, die eine Seite der heiligen Festung bildete.
    »Egal.« Er winkte ab. »Niemand kann die Ostseite erklettern, und uns bleiben noch mehrere Stunden bis Tagesanbruch. Bis dahin wird er ermüden und zu Tode stürzen. Und selbst wenn er es auf wundersame Weise bis nach unten schaffen sollte, werden unsere Brüder sich ihn schnappen. Nach einer solchen Kletterpartie wird er vollkommen erschöpft sein. Mit Widerstand ist also nicht zu rechnen.«
    »Natürlich, Vater Abt«, sagte Athanasius, »es ist nur

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