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Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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    1 EULE
    Fiona hatte Glück, dass es August und die Nacht so warm war. Halb nackt durch Schnee zu laufen wäre sicher kein Vergnügen, und in einer hellen, laubfreien Winternacht hätte man sie noch deutlicher erkannt. Sie war nicht scharf darauf, in diesem Outfit angestarrt oder sogar fotografiert oder gefilmt zu werden und sich ein paar Tage später auf YouTube wiederzufinden: eine kleine, zarte Frau, nackt bis auf eine Männerunterhose und ein goldenes Bikinioberteil. Vor ihrer Brust baumelte ein Band, an dem leise klirrende Schlüssel hingen. Ihre Füße steckten in schweren Stiefeln, die bis zu den Waden hochgeschnürt waren. Und auf dem Rücken wippten schon ziemlich zerrupfte weiße Flügel, die ihr vom Kopf bis zur Hüfte reichten.
    Als sie vom Feldweg auf die geteerte Straße lief und vor dem Scheinwerferlicht eines entgegenkommenden Autos beiseitesprang, wäre sie beinahe im Straßengraben gelandet. Und wirklich genutzt hatte ihr Manöver auch nichts, der Fahrer hupte trotzdem und machte im Vorbeifahren eine obszöne Geste.
    Fiona berappelte sich und lief weiter. Die Riemen, mit denen die Flügel auf ihren Schultern befestigt waren, schnitten ihr in die Haut, sie hätte sie etwas weiter schnallen können, aber sie wollte keine Zeit verlieren und beschleunigte ihren Schritt wieder. Noch war sie sich nicht sicher, dass die Polizisten sie wirklich nicht bemerkt hatten, als sie im Chaos der Razzia verschwunden war.
    Auf Fionas Brust und ihrem Rücken breitete sich ein Schweißfilm aus, aber der konnte auch von den Pillen kommen, die sie kurz zuvor geschluckt hatte, von den kleinen weißen vielleicht oder doch von den roten Kapseln, sie wusste nie genau, was sie da eigentlich nahm, das war Teil des Spiels.
    Die Nacht lag samtig da, nur ein paar Straßenlaternen brannten, aber bald würden sie ausgehen, und selbst diese schläfrige Gegend würde langsam erwachen. Sie hoffte sehr, dass sie dann schon zu Hause sein würde. Fiona hatte keine Lust, die an sich gelungene Nacht mit einem Spießrutenlauf zu beenden und wegen ihrer Erscheinung Aufsehen zu erregen. Dabei müssten die Leute eigentlich merkwürdige Gestalten gewöhnt sein. Meine Güte, Berlin, dachte sie, hier laufen tagsüber schon mehr Freaks rum als in anderen Städten auf Station, eine große Freilichtklapse. Was anderswo weggesperrt wird, macht hier eine Ich—AG.
    In Zehlendorf war sie eine ganze Weile nicht mehr gewesen, schon gar nicht nahe der Uni-Tierklinik, wo es eher aussah wie in einer ländlichen Vorstadt, aber sie selbst suchte die Orte der Labyrinth-Partys ja nicht aus.
    Die Events der verschlungenen Lüste fanden dort statt, wo sie eben stattfanden, Fiona bekam nur am selben Tag eine E-Mail von der geheimnisvollen Grinsekatze, deren richtigen Namen niemand kannte.
    Liebe Eule, hatte in der letzten gestanden, Samstagnacht öffnet das Labyrinth wieder seine Pforten. Lust, Ekstase, Abgrund. Alles ist erlaubt. Folge nicht dem weißen Kaninchen, sondern den Koordinaten, die du nach deiner Anmeldung auf deinem Handy findest. Das Labyrinth der Laster erwartet dich (das Wort Laster darfst du wörtlich verstehen). Herzlich: die Grinsekatze.
    Meist sagte sie die Einladungen zu und überwies sofort elektronisch die angegebene hohe Teilnahmegebühr, obwohl sie nie genau wusste, was dort passieren würde. Dieses Mal hatte die Grinsekatze das Wort Laster tatsächlich sehr wörtlich verwendet. Fiona bzw. Eule, wie sie im Labyrinth hieß, hatte sich an alle Anweisungen gehalten und sämtliche Papiere, Kredit-und sonstige Karten zu Hause gelassen, trug nichts als einen goldfarbenen Bikini, eine Shorts, ihr Handy und die Schlüssel um den Hals. Sie hatte ihren Wagen mehrere Kilometer entfernt abgestellt, sich mit einem Taxi bis zum Institut für Parasitologie fahren lassen und auf die nächsten Informationen gewartet. Die ersten Koordinaten kamen immer erst gegen dreiundzwanzig Uhr und bedeuteten eine weitere Sicherheitsstufe. Diese führten zu einem Baum. Fiona fand gleich das an ihm befestigte, vereinbarte Zeichen: ein Plakat mit einem weißen Kaninchen, das einen Zauberwürfel in der Hand hielt. Sie beantwortete die SMS der Grinsekatze, indem sie die Buchstabenkombination auf dem Zauberwürfel durchgab, damit die Labyrinthwächter wussten, dass sie wirklich in der Nähe war. Dann erst schickten sie ihr eine zweite SMS mit den endgültigen Koordinaten, die sie in ihre Karten-App eintippte und denen sie zu Fuß durch die einsame Landschaft folgte.
    Sie

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