Sandra und das Haus in den Hügeln
Schaustellern zum abendlichen Abtransport hinter ihren Ständen gelagert worden waren, und die ihr den Weg zwischen der letzten Verkaufsbudenreihe und den Häusern hindurch erschwerten.
Als Sandra die Marienkirche erreichte, fürchtete sie schon, daß sie den Sektenführer und seine Begleiterin verloren hätte. Doch dann tat sie instinktiv das einzig Richtige. Ohne zu wissen warum, stand es für sie fest, daß sie auf dem Parkplatz hinter der Kirche nach dem Rothaarigen und dem Mädchen suchen mußte. Dabei wäre es wahrscheinlicher gewesen, daß die beiden in einer der stillen Seitengassen untergetaucht waren, um sich später wieder mit den Mitgliedern ihrer Glaubensgemeinschaft zu treffen.
Sandra rannte um die Marienkirche herum und durch eine Seitenpforte zu dem großen Parkplatz, der für die Besucher der Kirche und des Klosters angelegt worden war.
Ein Parkwächter kassierte die Parkgebühr von dem Fahrer eines Wagens, der mit laufendem Motor in der Einfahrt hielt.
Sandra lief auf den Mann mit der Dienstmütze zu, um ihn zu fragen, ob er einen rothaarigen jungen Mann mit Schnurrbart in Begleitung eines Mädchens in Jeans und einem bunten Fleckerlumhang gesehen habe — da entdeckte sie die beiden Gesuchten bereits selbst!
Zunächst sah sie nur den Rothaarigen. Er schloß gerade die Tür eines grauen Kleinbusses auf, der ziemlich am Ende des Parkplatzes abgestellt war. Dann kletterte er auf den Fahrersitz und beugte sich zu der rechten Tür hinüber, um sie für seine Begleiterin zu entriegeln.
Er zog die Fahrertür zu und startete den Motor.
Sandra rannte dem Auto entgegen und stellte sich ihm, mit ausgebreiteten Armen winkend, in den Weg.
Der Sektenführer schien darüber zu erschrecken, denn er drückte versehentlich aufs Gaspedal, und der Bus schoß geradewegs auf Sandra zu.
Sandra sprang entsetzt zur Seite.
Doch knapp vor ihr kam der Bus zum Stehen. Der Rothaarige kurbelte das Seitenfenster herunter und fragte barsch: „Was gibt’s?“
„Ich... Ich muß mit euch reden!“ stammelte Sandra, noch atemlos vor Schrecken.
„Jetzt nicht. Wir haben’s eilig“, wehrte der Sektenführer unfreundlich ab.
Das Mädchen neben ihm drängte: „Fahr doch zu, Rocho!“
Sandra sagte beschwörend: „Nein, bitte, es ist wichtig. Ich bin euch gefolgt, weil
„Von wo?“ unterbrach sie der Junge.
„Vom Weihnachtsmarkt. Bitte, ich muß mit euch reden. Ich... Ich bin in seelischer Not!“ schwindelte Sandra, einer plötzlichen Eingebung folgend.
„Sag ihr, sie soll sich an die anderen von uns wenden. Fahr endlich los, Rocho!“ meldete sich das Mädchen mit aufgeregter Stimme erneut.
Sandra faßte nach dem Griff des Seiteneinstiegs, um den Sektenführer am Weiterfahren zu hindern. Der Riegel war nicht richtig eingerastet. Die Tür gab nach. Sandra erkannte ihre Chance und zwängte sich blitzschnell durch den Spalt ins Wageninnere.
Im selben Augenblick setzte sich der Kleinbus mit durchdrehenden Rädern in Bewegung. Sandra wurde auf die Sitzbank geschleudert.
Der Bus raste auf die Ausfahrt zu und an dem ärgerlichen Parkwächter vorbei, der heftig gestikulierend auf das Straßenverkehrsschild deutete, auf dem stand, daß man nicht schneller als mit 30 Stundenkilometern fahren durfte.
„Anhalten! Laßt mich raus!“ fauchte Sandra.
Der Rothaarige antwortete nicht. Doch er fuhr jetzt langsamer, da er sich in die Hauptverkehrsstraße eingeordnet hatte und auf die nächste Ampel Zufuhr.
„Was hast du vor, Rocho?“ fragte das Mädchen neben ihm.
„Bitte, ich wünsche jetzt keine Einmischung mehr. Sammele dich, Schwester. Meditiere. Der Herr ist groß!“ sagte der Sektenführer mit sanfter Stimme zu ihr.
„Halleluja!“ antwortete das Mädchen.
„Ich möchte aussteigen“, wiederholte Sandra.
„Wir haben dich nicht eingeladen, mit uns zu fahren“, erwiderte der Junge, den das Mädchen Rocho nannte.
„Gewonnen! Dann laß mich jetzt raus“, sagte Sandra.
„Warum? Du bist in Not. Also ist es unsere Pflicht, dir zu helfen. Wir fahren auf einen ruhigen Platz, wo wir uns ungestört unterhalten können. Wir bringen dir Frieden“, sagte der Rothaarige, und seine Augen blickten Sandra dunkel und zwingend im Rückspiegel an. „Sage uns deinen Namen, Schwester.“
„Sandra“, erwiderte Sandra, die einsah, daß es klüger war, sich dem Sektenführer zu fügen. Schließlich wollte sie von ihm erfahren, wo Jutta steckte. Und wenn sie Glück hatte, fand sie auch noch heraus, ob die Sekte an den
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