Zauber einer Karibiknacht
1. KAPITEL
„Ich glaube, wir sollten heiraten.“
Sean King verschluckte sich vor Schreck an seinem Bier. Prustend stellte er sein Glas ab und musterte die unbekannte Frau, die sich an der Bar einfach vor ihn hingestellt und ihm diesen merkwürdigen Vorschlag unterbreitet hatte.
Sie sah umwerfend gut aus.
Ihr Haar war fast so schwarz wie seines, ihre Haut sonnengebräunt. Wahrscheinlich verbrachte sie viel Zeit unter freiem Himmel. Sie hatte hohe Wangenknochen und anmutig geschwungene Brauen, und ihr Blick verriet Entschlossenheit.
Auch der Rest ihres Körpers war nicht zu verachten. Sie trug ein zitronengelbes Sommerkleid, das viel von ihren schlanken Beinen preisgab. Ihre Sandalen waren mit einem weißen Blumenmuster geschmückt, die Zehennägel blutrot lackiert.
Lächelnd sah er ihr in die Augen. „Heiraten? Meinen Sie nicht, dass wir vorher noch mal zusammen essen gehen sollten oder so?“
Ganz kurz lächelte auch sie, dann blickte sie zum Barkeeper hinüber, um sicherzugehen, dass er nicht mithörte. „Ich weiß, das hört sich wahrscheinlich komisch an …“
Er musste lachen. „Komisch, ja. Das trifft es ganz gut.“
„… aber ich habe meine Gründe.“
„Gut zu wissen“, kommentierte er und nahm einen Schluck von seinem Bier. „Dann auf Wiedersehen, schöne Frau.“
Verärgert holte sie Luft. „Sie sind Sean King. Sie sind hier, um sich mit Walter Stanford zu treffen.“
Seine Neugier war geweckt. Aus zusammengekniffenen Augen musterte er sie. „Auf einer kleinen Insel verbreiten sich Neuigkeiten anscheinend sehr schnell.“
„Sogar noch schneller, wenn man Walter Stanford zum Großvater hat.“
„Großvater?“, wiederholte er. „Das heißt, Sie sind …“
„Melinda Stanford, genau“, ergänzte sie und sah sich unsicher um.
Sie war also die reiche wohlbehütete Enkelin des Mannes, dem diese Insel gehörte. Und sie schien nicht alle Tassen im Schrank zu haben.
„Wollen wir uns nicht lieber an einen Tisch setzen?“, schlug sie vor. „Ich möchte nicht, dass jemand mithört.“
Das konnte er sich denken. Es war ja nicht gerade üblich, sich einem Wildfremden vorzustellen, indem man ihm einen Heiratsantrag machte. Die Frau sah wirklich sehr gut aus, aber in ihrem Kopf schien es nicht ganz zu stimmen. Sie wartete nicht auf seine Antwort, sondern ging schnurstracks zu einem der freien Tische in der Hotelbar.
Sean beobachtete sie dabei und blieb unschlüssig sitzen. Sollte er sich zu ihr gesellen – oder lieber doch nicht? Natürlich war sie rein äußerlich eine Klassefrau. Aber wenn es bei ihr im Oberstübchen nicht stimmte …
Inzwischen hatte sie sich hingesetzt und verlieh der dunklen Ecke in der Bar ein wenig Glanz. Vor guten dreißig Jahren war diese Hotelbar bestimmt topmodern und sehr beliebt gewesen. Aber ganz offensichtlich war der Besitzer nicht mit der Zeit gegangen und hatte sie mehr oder weniger verkommen lassen.
Der Holzboden hatte tiefe Kratzer, die von mehreren Farbschichten nur mühselig übertüncht wurden. Die Wände brauchten dringend einen frischen Anstrich, und die Fenster waren zu klein. Davon abgesehen ist die Grundsubstanz gar nicht schlecht, dachte Sean. Die Einrichtung hat Charme, auch wenn sie ein bisschen verstaubt wirkt. Wenn der Laden mir gehören würde, würde ich die Front komplett rausreißen und durch große Glasscheiben ersetzen, dann hätten die Gäste einen tollen Ausblick auf den Ozean.
Diese Gedanken waren ihm ganz unwillkürlich gekommen. So war es eben, wenn man Mitbesitzer einer großen Baufirma war. Ständig baute man im Kopf irgendetwas um.
Aber schließlich war es nicht seine Hotelbar, und eine schöne, wenn auch etwas durchgeknallte Frau wartete auf ihn. Walter Stanford würde er erst am nächsten Morgen treffen, und der Abend war noch lang. Also … Lächelnd erhob sich Sean und ging zu der merkwürdigen Frau hinüber.
Er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Mit dem Bierglas in der Hand musterte er sie schweigend und wartete darauf, dass sie ihr Verhalten erklärte. Er brauchte nicht lange zu warten.
„Ich weiß, dass Sie hier sind, um das Land am Nordstrand zu kaufen.“
„Das dürfte auf der Insel kein Geheimnis sein“, erwiderte er und nahm einen Schluck von seinem Bier. Ein einheimisches Erzeugnis und überaus schmackhaft. Wenn alles gut ging und sein Cousin Rico hier ein Hotel eröffnete, sollte er diese Marke auf jeden Fall anbieten.
Er wandte sich wieder
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