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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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    Sascha trennte sich von Wenja und Ljoschka an der Metro. Sie hatten entschieden, dass sie einzeln weniger Verdacht erregen würden.
    Er fuhr aus Moskau in seine Provinzstadt – fünfhundert Werst von der Hauptstadt entfernt – mit der Elektritschka , oder, wie es seine Freunde nannten, mit dem »Hundefuhrwerk«. Er saß einsam in der Ecke des Waggons, bisweilen schauderte es ihn beim Gedanken an das kürzlich Geschehene, dann wieder erfasste ihn erneut der Rhythmus der Ereignisse, wenn alles klirrt und zerbricht. Sascha hörte sich in diesen Rhythmus hinein, es fühlte sich gut an.
    Die Stadt hatte sich als schwach erwiesen, wie Spielzeug, sie zu zerbrechen war genauso sinnlos wie Spielzeug zu zerbrechen: Drinnen war nichts – es war nur leeres Plastik. Und
das kindliche Gefühl des Triumphes, dieses überwältigende Gefühl, die Dinge im Griff zu haben, kam daher, dass alles viel einfacher war, als es schien …
    Immer wieder kamen Kontrolleure vorbei, Sascha ging auf die Plattform, beäugte durch das trübe Glas ihre blaue Kleidung, die strengen Gesichter. Beim nächsten Halt lief er über den Bahnsteig am Waggon mit den Kontrolleuren vorbei und setzte sich wieder in die Ecke.
    Manchmal saugte er an der zerschlagenen Lippe, sie brannte mittlerweile schon nicht mehr so schmerzhaft – sie heilte wie bei einer Katze.
    Der Zug schien lautlos zu fahren, Sascha hörte nichts.
    Hinter dem Fenster zogen Verwahrlosung und Trostlosigkeit vorbei. Er spiegelte sich im Glas – kurze Haare mit einem widerspenstigen Schopf, unrasiertes Kinn, dunkle Haut, die Stirn in frühen Falten … Ein gewöhnliches Gesicht.
    Sascha kam in seiner Stadt an, die Türen des Zuges klappten hinter ihm zu, als wäre er ein Überbleibsel, das einfach abgeschnitten wurde.
    Den blödsinnigen Gedanken, im Treppenhaus würde schon ein Hinterhalt auf ihn warten, verscheuchte er (»… da sie im ganzen Lande Fallen errichtet haben«), und lief ins Haus.
    Das Schloss machte das übliche Geräusch, ein weiches Klicken. Die Tür ging auf.
    Die Mutter arbeitete in der Nachtschicht, die Wohnung war leer.
    Sascha rief einen Bekannten an und bat ihn, ihn ins Dorf zu bringen. Der Mann antwortete missmutig: »Ich fahre heute«.
    Er hinterließ der Mutter einen Zettel: »Mama, alles in Ordnung«.
    Zum Dorf kam er unter dem üblichen Gerumpel. Die »Kopeke« schepperte, auf der Windschutzscheibe hing statt des Zulassungsscheins ein kleiner Kalender des aktuellen Jahres; die Jahreszahlen in fetter Schrift sollten die Verkehrshüter täuschen. Auf dem Weg ins Dorf sahen sie nur einen Posten, der Milizionär schaute angewidert Richtung »Kopeke« und drehte sich weg.
    Der Mann schwieg den ganzen Weg über, horchte manchmal auf den Motor, der die unterschiedlichsten Klappergeräusche von sich gab. Die Abfolge dieser Geräusche erschien Sascha willkürlich. Der Mann aber, so schien es zumindest, konnte alle Bestandteile dieser Kakophonie unterscheiden.
    Als sie am Posten vorbeikamen, verkrampfte der Fahrer ein wenig, seine Augen wurden schwerer, er hielt das Steuer fester und konzentrierte sich allein auf die Straße, da er befürchtete, er könnte den Milizionär mit seinem Blick streifen – als wäre es der Leibhaftige höchstpersönlich. Einen Augenblick später war der Fahrer wieder ruhig. Und Sascha vermutlich auch.
    Bald nach dem Posten ging die Asphaltstraße in einen Feldweg über. Dieser Feldweg lief, vorbei an Gärten und durch zwei ruhige Dörfer, in denen es nicht einmal Hunde gab, auf einen Fichtenwald zu. Im Wald war es finster. Die über einer ehemaligen Schmalspurbahn verlaufende Straße war eine Folter, es tat regelrecht weh, wenn das Fahrzeug gegen ihre harten Rillen prallte.
    Die »Kopeke« irrlichterte mit einem Schweinwerfer in die Gegend, der zweite gab gerade ausreichend Licht für sich selbst. Im Lichtkegel bogen sich Äste mit zitterndem Laub. Angst vor Dunkelheit und Bäumen von irgendwo aus der Kindheit überkam ihn, Sascha zündete sich eine Zigarette an – es verging wieder.
    Er erinnerte sich daran, wie er dem Vater einmal beim Mähen geholfen hatte, Sascha war damals etwa zehn. Eigentlich mähte der Vater, wenn er aber eine Rauchpause machte, unternahm Sascha seine Mähversuche, sonst rechte er das vom Vater gemähte Gras in Reihen. Die Dämmerung brach herein, sie hätten mit dem Lastwagen abgeholt werden sollen, doch niemand kam. Der Vater zündete ein Feuer an. Sascha sammelte Äste, er hatte Angst, sich vom Feuer zu

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