Satt Sauber Sicher
Tür reinkommt und atmet. Das wird sowieso passieren, es sein denn, das dumme Auto tötet seinen Insassen. Durchgeschnittene Bremsschläuche schießt es durch Karlas Kopf. Einen Versuch wäre es wert. Nur wie sehen eigentlich Bremsschläuche aus?
Dann kommt Hubert zur Tür herein, zwei große Einkaufstüten in seinen männlich-geballten Fäusten. Ein kräftiger Blick durchfährt den rustikal eingerichteten Wohnraum. Der Blick fliegt wirr durch das Haus, bleibt an Nebensächlichkeiten wie Karlas roten Putzhänden und an Sofakissen mit dem berühmten Knick in der Mitte kleben.
Hubert hat keine Ahnung. Wartet auf das Ergebnis seines Lebens. Was für ein Ergebnis?
Da kommt er, der Malocher, der Mann vom Einkaufen in sein Haus und muss erst durch drei Schleusen: Schuhe aus, Schlappen an und dann Sofa. Schnauze voll davon. Vom Reinkommen und Sich-wie-im-Museumfühlen. Und immer die Angst, dass der Museumswärter einen vertreibt vor lauter Langeweile mit sich selbst. Huberts Bewusstsein beinhaltet die Tragik seiner Existenz. Traut sich nicht mal mehr zu furzen, aus Angst die Scheiben könnten beschlagen. Depressiver Glanz. Die Atmosphäre spannt sich und die Luft wird dünn bei diesen Gedanken. Da sitzt die Frau. Sie erzeugt das Gefühl von Nur-zu-Besuch-sein. Alles macht sie sauber und dadurch kaputt. Es ist wirklich dieses Gefühl, als wäre man im eigenen Haus nur zu Besuch, wenn Karla geputzt hat. Und jeden Moment kommen die eigentlichen Bewohner wieder und Hubert traut sich nicht, irgendwas anzufassen. "Rest is‘ noch im Wagen", nuschelt Hubert in den Wohnraum hinein. Da ist sie wieder, denkt Karla, seine Stimme, der männlich stupide Glanz, den seine Stimmbänder erzeugen können.
Karla bemerkt Huberts Angespanntheit und sagt emotionslos: "Gut! Hackfleisch bekommen?" Hubert will auf sie zurennen und ihr einfach das ganze Hackfleisch in alle Körperöffnungen stecken, besonders in den Mund, bis kein Sauerstoff mehr durch die Fleischfasern gelangen kann und die Frau beim Hinfallen des Sterbens wegen rohe Frikadellen erbricht. "Ja", sagt er kurz und schenkt ihr ein Lächeln, weil sie das nicht erwartet. Er geht an ihr vorbei und auch sie lächelt, warum weiß sie selbst nicht, eigentlich ist sie ja voller Hass. Vielleicht ist das die letzte Stufe vor dem Wahnsinn, fragt sie sich leise. Obwohl in Karla einfach nur Ablehnung ist gegen ihr Leben, gegen diesen Mann, diese Art des Dahinrottens, lächelt sie. Vielleicht ist dieses Lächeln aber auch nur das zaghafte und nicht wirklich ernst gemeinte Zurücktreiben der Lava in den Vulkan. Nur ein wenig Deeskalation, bevor der Kampf weitergeht.
Das jeweilige Gegenüber verwirren. Psychologische Kriegsführung. Beide wissen, was sie an sich haben.
Es wird mit Hass gekocht. Buletten. Kartoffeln. Klein gehackte Zwiebeln. Messer sausen runter. Hack. Hack. Hack. Ins fremde Fleisch.
Beim Essen fragt Karla ihren Mann: "Weißt du eigentlich, was unsere Söhne machen? Haben sich so lange nicht mehr gemeldet ..." "Ja, der Peter hat schon so lange nicht mehr angerufen", erwidert Hubert widerwillig, Frikadellen schmatzend, "und der Roland ist doch so beschäftigt mit seinem Job in Frankfurt." Wieder lächeln beide. Debil und anmutig. Mehr wurde aber auch an diesem Tag nicht geredet.
Da ist eine Macht, die beiden aneinanderkettet. Beide sind fixiert. Sie sehen sich in die Augen und dann beginnt es zu kochen in ihren Hasshirnen und beide sind auf der Flucht voreinander. Hier wird niemals irgendwer irgendwem körperlich Schaden zufügen. Man ängstigt sich vor dem Blut, das aus dem Partner kommt, sobald man ihn aufgeschnitten hat. Hubert ist zu träge dafür, Karla zu sauber.
Von fern klingt erinnerte Musik in die alten Ohren. Traditionelle Gitarrenmusik, die einer ihrer Söhne mal laut aus seiner Anlage hat schreien lassen. New Model Army. Für Hubert und Karla eine laute Band aus England. Für Peter ein Fahrzeug in freiere Gedankenregionen, in denen hoffnungsvolles Weidegras zu wachsen gedenkt. Die Kinder, die beiden vor sich hin wesenden Jungs, waren doch nur Ablenkung. Nachdem beide ausgezogen waren, um ein eigenes Leben zu gestalten, konzentrierte sich aller Gehirnkot auf den jeweiligen Partner.
Hubert und Karla. Karla und Hubert. Reihenhaussiedlung. Ein Lied. Ein Lied klingelt durchs Haus.
...we are not children anymore the fists you made they are come bashing at your door your legacy is waiting in the wings and there's something so familiar in the hunger that we bring we
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