Satt Sauber Sicher
die vergebenen Möglichkeiten ihres inhaltslosen Lebens, fühlt sich so unsicher und ausgebrannt. Jeder Gedanke ist falsch, verfälscht, durchwässert, unecht. Aber keine Schwäche zeigen, weil: Da ist keine Liebe, die die Schwäche auffangen könnte. Karla flieht förmlich aus dem Bett. Durch das Schlafzimmer. Leise schließt sie eine Tür. Öffnet eine andere. Füllt Wasser, einen Filter und Kaffeepulver in die Kaffeemaschine, die dann zu röcheln beginnt. Die Küche ist kalt, doch in Karla hat es eh Minusgrade. Gefrorenes Herz. Adaptiertes Gehirn. Sie fühlt sich wie eine Universalfernbedienung.
Alles soll sie schalten, aber auf allen Programmen läuft nur schale Kotze aus Gedanken.
Draußen wird von einem Kranwagen der Glascontainer hochgehoben und unten aufgemacht. Das Altglas wird auf einen LKW geladen. Der Krach, den das verursacht, ist nichts gegen das, was in Karla vorgeht. Sie wäre nur auch gern in diesem Container, und bestimmt wäre der Aufprallschmerz aus zwei Metern in zerbrochenes Glas zu fallen eine Wohltat gegenüber dem Jetztgefühl.
Prädikat unverfilmbar
So einen Film hat Britta noch nie gedreht beziehungsweise gefahren. Sie ist eine von zwei Hauptdarstellerinnen in der geilsten Lovestory aller Zeiten. Casablanca, Vom Winde verweht, Dirty Dancing, alles scheiße. Vera und Britta heißt das Wunderprogramm, ein Film mit Emotionen, Realismus und Hautrissen, genannt Lachfalten. Der Soundtrack besteht aus Atemgeräuschen, Geschirrabspülgeräuschen, Millionen kleiner Kussmomente, verspielten Schritten und lautem Frauenlachen. Ein Glück ist eingetreten und ward in Herzen eingesperrt.
Vera und Britta. Haben sich für die Paarwerdung entschieden. Sie haben Gemeinsamkeiten entdeckt. Es war beidseitiger Wille vorhanden sich zu verschenken. Auch, um nicht weiter suchen zu müssen, denn das kann einen Menschen zerstören. Die romantische Suche. Die ganze kitschige Vorstellung davon, dass Menschen für sie extra von Kuba durch die Nacht geschwommen und gelaufen kommen, alles für einen aufgeben, was ihnen wichtig ist, Heiratsanträge auf kleinen, warmen Inseln machen, also all das kann man ja sowieso vergessen. So etwas gibt es nicht. Keine Rockstars, Bestsellerautoren oder Multimillionäre kommen einfach so des Weges und tun ihre unumstößliche Zuneigung kund. Nein, da fließt zu viel Scheiße durch die Männerwelt, wissen die beiden. Zu viel schwanzgesteuertes Bewusstsein. Und in der Gegenwart von so was hat man schon zu lange Zeit verbracht.
Sie trafen sich in einer lauten Nacht und haben von da an ihr Leben leiser gemacht. Cooling down die gemeinsame Philosophie. Das Leben kühlen, nicht auf Eis legen, sondern vor Überhitzung schützen. Sich gegenseitigschützen. Ruhe einkehren lassen. Mit dem stacheligen Besen der Ruhe auch das letzte bisschen Zweifel aus dem Gemüt fegen. Liebe ist, sich mit Bonbons zu beschießen. Liebe ist ein großartig geträumter Traum, der sich einer realistischen Umsetzung nicht sträubt. Liebe geht. Liebe funktioniert. Vera und Britta waren verschiedene Wunden. Sie lassen sich, ineinandergeflossen, Zeit zu heilen. Sie sind ein gemeinsamer See, in dem Ideenfische gesund werden können.
Des Glückes Geschick brachte aber dann in einer schönen, zerbrochenen Nacht eine realistischere Liebe. Eine Liebe, die es nur unter gleichgeschlechtlichen Menschen gibt. Ebenfalls schön, dass beide Frauen ein Leidkonto hatten, das ungefähr zu gleichen Anteilen mit erlebtem Unsinn zu tun hatte. Beide hatten zuvor Enttäuschungen durchstehen müssen, sich zermürbt, gequetscht unter Männerwahnsinn winden müssen. Das war dann vorbei, als ein Zungentanz begann, der nur für Britta und Vera bestimmt war. Nie hatten die beiden Frauen zuvor darüber nachgedacht, eine gleichgeschlechtliche Beziehung führen zu können. Einen Körper zu ficken, der einem gleicht, ist etwas Wunderbares, haben beide erkannt. Die Auslotung von weiblichen erogenen Zonen war sehr einfach, denn diese Zonen besitzt ja jede auch bei sich selbst. Klar, so ein scheiß G-Punkt, diese blöde anatomische Besonderheit, die es nicht gibt, also dieses Ding ganz außen vor zu lassen, war schon ein Befreiungsfaktor. Kein sexueller Stress. Geilheit zu gleichen Verhältnissen. Eine Orgasmusstatistik, die sich komplett die Waage hält. Wunderbar. Alles passt. Alles geht.
Sie leben Gemeinsamkeit und aus ihren banalen Lesbenhandlungen fließt Liebe in den Alltag. Beide hatten ja mal mit Männern zu tun in ihrer Vergangenheit, sind
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