Saubere Verhältnisse
Beziehungen am Arbeitsplatz, nicht allzu ernsthaft. Verschiedene Typen und so, du weißt schon. Danach noch etwas Kurzes, ich weiß noch nicht was, vielleicht eine Übung, damit sie auch was Aktives machen. Kannst du das machen, Cilla? Nach dem Mittagessen kommt eine Masseurin und informiert über Massage gegen Streß. Perfekt für die Verdauung. Es ist eine wunderbare Frau, ich habe sie in einem Wellnesshotel getroffen. Dann ein bißchen was Schweres. Was hängenbleibt. Damit sie spüren, daß sie etwas gelernt haben. Darüber müssen wir noch mal nachdenken. Und dann noch einen Komiker, wenn alle müde sind und lachen wollen. Oder sollen wir den Tag ernst beenden? Vielleicht möchtest du den Tag beschließen, Yvonne?«
»Nein, ich möchte anfangen. Ich will dann gehen«, sagte Yvonne.
»Gehen? Wohin?«
»Es ist doch ein Montag, oder? Montag ist bei mir immer ein bißchen eng. Ich möchte danach einfach gehen.«
»Und wie willst du das machen?«
»Wie? Ich gehe einfach zur Tür hinaus«, sagte Yvonne irritiert.
»Ich hoffe, du kannst schwimmen«, sagte Lotta. »Ich habe die Stena-Fähre gebucht, habe ich das nicht gesagt?«
An diesem Abend mußte Yvonne Bernhard Ekberg anrufen und ihm sagen, daß sie erst am Dienstag kommen könne, weil sie am Montag für eine kranke Putzfrau im Büro einspringen müsse. Er hatte nichts dagegen. Als sie von der kranken Putzfrau sprach, klang er ein bißchen beunruhigt, als ob er Angst hätte, sie ganz zu verlieren, und als sie anbot, am nächsten Tag zu kommen, war er ganz erleichtert, fast glücklich.
Der Fortbildungstag auf dem Schiff lief gut. Die Teilnehmer – sie arbeiteten alle im Pflegebereich – waren ein dankbares Publikum und froh, einen harten Arbeitstag gegen einen strahlenden Herbsttag auf See zu tauschen. Sie waren nicht verwöhnt. Mit konzentriert gerunzelter Stirn notierten sie Yvonnes Weisheiten auf ihren Konferenzblöcken, sie lachten und erkannten sich in Cillas ›Typen am Arbeitsplatz‹, zwischen den Programmpunkten saßen sie bei einem Drink an der Bar, gingen in den Läden einkaufen und genossen die Sonne und den Wind an Deck.
Yvonne und ihre Kollegen hatten Glück gehabt und den letzten in einer langen Reihe von sonnigen Herbsttagen gebucht. Schon am nächsten Tag schlug das Wetter um, und als Yvonne den Phloxweg hinaufging, löste sich der Regen aus den schweren, grauen Wolken, die Flaggenleinen peitschten ungeduldig gegen die Masten, und Windböen schüttelten kleine Früchte von den Zweigen der Obstbäume.
Sie stellte fest, daß der Nora-Brick-Mantel eine Kapuze besaß, die hatte sie bisher noch nicht gebraucht, sie hatte geglaubt, es sei einfach ein breiter Kragen. Wenn man die Kapuze aufsetzte, konnte man sie so zuknöpfen, daß man bis zur Nasenspitze geschützt war. Letzten Montag hatte sie außerdem ausgezeichnete Innentaschen gefunden. Der Mantel war voller Möglichkeiten, die man erst entdeckte, wenn man von ihnen Gebrauch machen wollte. In einer richtig schwierigen Situation würde sie vielleicht eine Tüte Trockenfrüchte in einem Geheimfach finden. Wer weiß, dachte Yvonne, vielleicht ist irgendwo im Futter sogar eine kleine Damenpistole eingenäht.
Bei Bernhard Ekberg konnte sie ungefähr eine Stunde ungestört arbeiten. Dann klingelte das Telefon. Yvonne drückte den Putzlappen im Eimer aus und überlegte, was sie tun sollte. Sie hatte keine Instruktionen bekommen, die das Telefon betrafen. Sollte sie drangehen? Es könnte schließlich Bernhard sein, der ihr etwas sagen wollte.
»Bei Ekberg«, sagte sie mit neutraler Dienstbotenstimme.
»Helena, bist du es?« fragte eine Frau erregt.
»Nein, Helena ist nicht zu Hause. Sie ist verreist.«
Die Frau seufzte.
»Wissen Sie, wann sie zurückkommt?«
»Nein, tut mir leid.«
»Also, hören Sie mal«, sagte die Frau und klang jetzt ein wenig empört. »Ich habe vor drei Monaten angerufen und bekam die gleiche Antwort von ihrem Mann. Und ich habe seither mehrmals angerufen, und immer hat es geheißen, sie sei verreist. Haben sie und Bernhard sich getrennt?«
»Darüber weiß ich nichts.«
»Sind Sie seine neue Frau?«
»Nein, nein. Ich bin nur die Haushaltshilfe«, sagte Yvonne mit einem angenehmen Gefühl der Zufriedenheit beim Aussprechen dieser Worte. In ihrem Job mußte sie immer auf so schwierige und komplizierte Fragen antworten. Es gab niemanden, an den sie weiterverweisen konnte. Wie wunderbar war es da zu antworten: Ich bin nur die Haushaltshilfe.
Die Frau lachte
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