Saubere Verhältnisse
vielleicht merkwürdig, mir kommt es ganz vernünftig vor. Putzen dämpft ihre Angst. Wenn Helena ruhelos ist, dann putzt sie, genau wie andere an den Nägeln kauen oder rauchen.«
»Oder Sex haben. Ja, das ist vielleicht eine psychologisch akzeptable Erklärung. Aber da bleibt immer noch die rein praktische Frage: wie konnte sie, mit blutigen Händen und Kleidern das ganze Haus blitzblank putzen, ohne irgendwo einen Blutfleck zu hinterlassen?«
»Sie hat vielleicht zuerst geputzt und sie dann getötet«, sagte Bernhard dumpf, den Mund im Kissen.
»Sie und die Geliebte haben gespült und geputzt und sind zusammen zur Mülltonne des Nachbarn gegangen, und dann hat sie sie getötet. Das könnte sein. Aber was hat sie dann in den zwei bis drei Stunden gemacht, bis sie die Polizei angerufen hat?«
»Helena hat selbst gesagt, daß sie in der Zeit geputzt hat und …«
»Genau. Helena hat selbst gesagt. Alles beruht auf dem, was Helena gesagt hat. Ich habe die ganzen Papiere, die du mir gegeben hast, durchgesehen und nirgends eine einzige Zeugenaussage gefunden, die das bekräftigen würde, was Helena gesagt hat. Niemand hat sie oder Karina Toresson zum Feriendorf kommen sehen. Es gibt nur deine Aussage, daß Helena um neun von zu Hause wegfuhr, um einkaufen zu gehen.«
Bernhard schob ihre Hände weg und stand auf.
»Was stellst du dir eigentlich für Fragen, Nora? Eine polizeiliche Ermittlung hat stattgefunden, ein Urteil ist gefällt worden. Helena hat gestanden und verbüßt ihre Strafe. Das ist eine Tragödie für alle Beteiligten, mehr gibt es darüber nicht zu sagen. Bezweifelst du Helenas Schuld? Glaubst du, daß ein Fehler gemacht wurde?«
Yvonne schraubte den Deckel auf die Flasche mit dem Massageöl und stellte sie auf den Tisch. Sie hatte immer noch Öl an den Händen.
Mit nachdenklichen Bewegungen rieb sie es auf ihre Hände und Unterarme.
»Ich glaube, die Polizisten waren an diesem Samstag im März ein bißchen müde«, sagte sie langsam. »Ein bißchen erschöpft nach einem langen Winter, vielleicht auch erkältet und schlapp. Unterbesetzt. Viele Überstunden. Sie wollten schnell nach Hause zu ihren Familien und einen gemütlichen Samstag mit ihnen verbringen. Es paßte ihnen ausgezeichnet, daß die Verdächtige die Arbeit machte und alles gestand. Natürlich haben sie nach allen Regeln der Kunst ermittelt. Aber als sie Helena und das Blut des Opfers an ihrer Kleidung sahen und ihr Geständnis hörten, verschlossen sich alle Türen zu anderen möglichen Wegen, auf denen sie sonst gesucht hätten. Ja, Bernhard, ich glaube, daß ein Fehler gemacht wurde. Und ich finde, es ist an der Zeit, das zu korrigieren.«
Er betrachtete sie mißtrauisch.
»Du glaubst also, es wäre möglich, daß Helena unschuldig ist? Warum hat sie dann gestanden?«
»Um jemanden zu schützen. Weil sie Märtyrerin sein wollte. Die Welt liebt Märtyrer. Für manche ist es die einzige Möglichkeit, geliebt zu werden.«
»Ich glaube, daß du dich leider irrst. Aber wenn du recht hast und ein Fehler gemacht wurde, dann bin ich bereit, alles in meiner Macht Stehende zu tun, damit er korrigiert wird.«
»Wirklich, Bernhard? Dann solltest du damit anfangen, mir alles zu erzählen, und danach können wir beschließen, wie es weitergeht.«
Er schaute sie nachdenklich an und war lange still.
»Alles?« sagte er dann.
»Ja, Bernhard. Alles.«
»Du bist eine merkwürdige Frau, Nora. Manchmal glaube ich, du bist gar nicht real. Wenn du nicht da bist, glaube ich, daß ich dich nur geträumt habe. Ich bin mir nie ganz sicher, ob du wiederkommst. Du weißt so viel über mich. Als ob du durch mich durchsehen könntest. Wer bist du eigentlich?«
Sie lächelte still.
»Weißt du es nicht? Du hast es doch selbst gesagt. Ich bin dein Schutzengel. Erzähl jetzt.«
25
»Wo soll ich anfangen? Mit Donna? Ja, ich fange mit Donna an.«
Bernhard sank aufs Sofa. Das Massageöl glänzte auf seinem nackten Oberkörper. Yvonne setzte sich auf einen Sessel ihm gegenüber. Sie nickte ihm aufmunternd zu.
»Donna war unser Hund«, erklärte er. »Ich hatte sie als Welpen bekommen, als ich klein war. Ein heller Labrador. Als wir mit ihr in die Tierklinik kamen, wurde mein Vater vom Tierarzt beschimpft. Warum wir nicht seinem Rat gefolgt seien, den er uns beim letzten Mal gegeben hatte, und sie hätten einschläfern lassen. Der Hund hatte Krebs, und es war nichts mehr zu machen. Aber ich wollte nicht, daß sie eingeschläfert wird, und wir hatten sie
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