Fesseln des Schicksals (German Edition)
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Prolog
K atherine erwachte schlagartig. Ihr Herz klopfte heftig, die Bettdecken türmten sich zerwühlt neben ihr, und das leichte Leinennachthemd klebte an ihrem schweißnassen Körper.
Sie keuchte und legte sich instinktiv die Hände um den Bauch, als müsse sie sich vergewissern, dass das Kind in ihrem Inneren in Sicherheit war. Es gab keinen Grund zur Sorge, alles war gut, beschwor sie sich und versuchte, ihre Atmung zu beruhigen. Schon bald würde das Baby geboren werden. Diese seltsame Unruhe war sicher ganz normal bei einer unerfahrenen jungen Frau, die das erste Mal Mutter wurde.
Bis zur Morgendämmerung würde es gewiss noch einige Stunden dauern. Mondlicht fiel durch das Fenster und erhellte den Raum mit einem magisch silbrigen Glanz, der sich auf geschmackvoll im Zimmer arrangierte Porzellanfiguren und kostbare Möbel legte.
Wozu all dieser Luxus?, fragte sich Katherine müde. Als ihr Blick auf das unbenutzte Kissen neben ihr fiel, überschlugen sich die Erinnerungen in ihrem Kopf, und sie spürte, wie eine tiefe Trauer sich schwer auf ihre Brust legte. Nein, redete sie sich ein und versuchte, die schmerzvollen Bilder von sich zu schütteln, es war sinnlos, überhaupt noch daran zu denken. Jene glückliche Zeit würde schließlich nie wiederkehren.
Nervös stand sie auf, sie konnte die dunklen Gedanken einfach nicht beruhigen, die wild in ihr brodelten. Mit einem Streichholz vom Nachttisch zündete sie den Docht der Öllampe an und ging zum Fenster. Unter ihren nackten Füßen spürte sie den weichen Teppich aus Seide.
Der Vollmond tauchte die Nacht in ein geheimnisvolles Licht. Gedankenverloren betrachtete Katherine die Schattenlandschaft, während die nächtliche Brise durch die offenen Läden drang und erfrischend über ihre Haut streichelte. Allmählich färbte die Ruhe ihrer Umgebung auch auf ihr Inneres ab, und die bedrohlichen Erinnerungen zogen sich angesichts der hypnotischen Macht der Stille zurück.
Doch plötzlich zerriss ein fürchterlicher Schrei die Dunkelheit.
Katherine überfiel eine schreckliche Ahnung. Rasch nahm sie die Lampe vom Nachttisch und rannte los. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sich ihre schlimmsten Befürchtungen nicht bewahrheiten mochten.
Keuchend stürzte sie die Treppe hinauf.
«Molly?», rief sie atemlos. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie endlich die Tür zum Mansardenzimmer aufriss.
«Molly?»
Da entdeckte sie Mollys Gestalt auf dem Boden. Dieser Anblick und das stockende Stöhnen, das von ihrem Körper ausging, ließen in Katherine die Erinnerung an etwas aufbrechen, das vor nicht allzu langer Zeit an diesem Ort geschehen war. Etwas, das Katherines Leben für immer verändert hatte.
Mit den ungeschickten Bewegungen einer Hochschwangeren kniete Katherine sich neben die junge Frau, die ebenfalls in anderen Umständen war. Sie stellte die Öllampe auf den Dielen ab, hob sanft Mollys Kopf an und bettete ihn in ihren Schoß.
Eine lange dunkle Strähne fiel über das olivfarbene Gesicht der jungen Frau. Katherine strich das Haar liebevoll beiseite und sah ihr in die Augen.
«Katherine …» Molly seufzte erleichtert, als sie das Gesicht ihrer Freundin erblickte. «Es kommt», sagte sie erschöpft, aber voller Stolz. «Ich wollte dir Bescheid sagen, als es losging, aber …»
Sie konnte nicht weitersprechen.
Katherines Gesichtsausdruck wurde sanft. «Alles wird gut», sagte sie aufmunternd und nahm Mollys Hand, konnte aber ihren besorgten Blick nicht von dem Fleck abwenden, der den Teppich rot färbte.
Die Hände der beiden Frauen umschlangen sich fest. Auf Mollys Stirn glänzte eine dünne Schweißschicht, sie schrie erneut auf, als sie von einem weiteren Krampf geschüttelt wurde.
Alarmiert von den Schreien, tauchten kurz darauf drei Sklaven im Türrahmen auf, ein Mann und zwei Frauen, die jedoch an der Schwelle stehen blieben und nicht wagten, näher zu kommen, als sie ihre Herrin am Boden knien sahen.
«Thomas!», rief Katherine. «Geh und such Owen. Sag ihm, Mollys Baby kommt. Er soll Doktor Steward holen!»
Doch der Mann rührte sich nicht. Wie gebannt betrachtete er die junge Sklavin, die mit blutigem Nachthemd am Boden lag.
«Worauf wartest du? Lauf!»
Ein Leben lang gewohnt zu gehorchen, riss der Farbige sich schließlich von dem Anblick los und setzte sich auf seinen alten Beinen in Bewegung.
Schnell wandte Katherine sich der jüngeren der beiden Frauen zu. «Latoya! Nana Lo soll herkommen. Und
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