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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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anderen?«
    Will horchte der zittrigen Stimme hinterher. Verglichen mit Leo war Karl ein Ausbund von Jugendlichkeit – gewesen, dachte er und schluckte. Bis gestern.
    »Die anderen?« Er sah von Leo zu Jenny.
    »Beruhigungsmittel. Schmerzmittel. Er kriegt nicht mehr viel mit.« Jenny machte ein Gesicht, als ob sie über ein Kleinkind redete.
    Leo reagierte auf ihre Bemerkung nicht. Er lächelte verträumt. »Ach, Will. Wir haben uns nicht mehr gesehen seit diesem idiotischen Abend. Als es passierte.«
    Will nickte. Der Film spulte bereitwillig vor seinem inneren Auge ab. Er und Michel waren vor Leo angekommen in der Kneipe, in der die anderen bereits saßen, die Hände um die Biergläser gelegt, als ob sie sich wärmen wollten. Als Leo zu ihnen stieß, war er blaß.
    »Die Sache ist schiefgegangen«, sagte er, als die anderen fragend guckten. »Ich hab’ die Knarre in einen Baucontainer geworfen, vor dem Abrißhaus in der Guiollettstraße.«
    Wenigstens Julius hatte erleichtert ausgesehen.
    Leo zupfte an der Decke, die auf seinen Beinen lag. »Wie geht’s den anderen?« fragte er übergangslos.
    Will schluckte.
    »Prostatakrebs, Endstadium«, sagte Jenny emotionslos. »Das ist der Mann, der euch angst gemacht hat, ihr Hosenscheißer.«
    Wieder sah Will sie alle vor sich, an diesem kalten Winterabend am Tisch bei »Dr. Flotte«, mitten unter ihnen Leo, der den Stuhl zurückschob, das Bierglas vom Tisch fegte und das Ende des Projekts verkündete.
    Und plötzlich wurde der Erinnerungsfilm blaß. Wechselte in die Zeitlupe. Und endlich sah Will, was er all die Zeit nicht gesehen hatte.
    »Stimmt es, was Jenny sagt? Marcus ist tot? Und Thomas? Max?« Leo lächelte wieder sein trostloses Lächeln.
    »Marcus und Thomas sind ermordet worden«, sagte Will. Von jemandem, der noch genug Kraft in den Fingern hatte, um sie zu erwürgen. Leo hätte keine Chance gehabt, gegen keinen von ihnen.
    Er sah auf und sah Jenny lächeln. Und wieder legte sich der Film der Erinnerung über die Gegenwart und Jennys Gesicht. Sie hatte damals im Wirtshaus nicht gelächelt, als Leo ging. Sie war blaß gewesen. Nein, weiß. Weiß vor Wut.
    »Es stimmt also.« Leos Stimme hatte sich verändert, war fester geworden. Und dann sah er Jenny an. »Sie sind tot. Warum?«
    »Aber Herzblatt!«
    Jennys Augen blitzten, als sie sich langsam erhob.
    »Warum sollen sie leben, wenn du sterben mußt?«
    Will spannte die Muskeln an. Sie ist verrückt, dachte er. Noch verrückter, als sie damals schon war. Sie beugte sich über Leo, um ihm die Decke zurechtzuziehen. Dann ging sie ein paar Schritte zurück.
    »Warum, Jenny?«
    »Sie haben dich verpfiffen, damals, weißt du das nicht mehr?« Jenny warf ihre blonden Haare in den Nacken. »Weißt du das alles nicht mehr, Leo? Erinnerst du dich an gar nichts, mein Ärmster?«
    Will umklammerte mit beiden Händen den Sitz des Stuhls. Er mußte den richtigen Moment abpassen. Wenn er sie packen wollte, durfte er nicht zu hastig sein, aber auch nicht zögern. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach auf der Stirn und an den Handflächen.
    »Aber Jenny.« Leo blieb ruhig. »Ich habe doch immer gewußt, wer mich verpfiffen hat. Es kam doch nur eine in Frage. Nur eine, die mich so gehaßt hat.«
    »Gehaßt? Ich habe dich geliebt!«
    »Ich habe dich auch geliebt.« Will sah, wie Leos Hand unter der Decke verschwand und nach etwas tastete.
    »Du? Noch nicht einmal das hast du dich getraut. Und jetzt …« Jenny streckte die Hände vor und bewegte die schlanken Finger, als ob sie ihre Geschmeidigkeit testen wollte.
    Will spannte die Muskeln an. Bevor er aufspringen konnte, kam Leos Hand unter der Decke hervor. Eine knotige, ausgemergelte Hand, die eine Pistole hielt. Sie war auf Jenny gerichtet. Leos Hand zitterte nicht.
    In diesem Moment brach das Pandämonium los. Es klopfte an die Wohnungstür, laut, anhaltend.
    »Machen Sie auf, Polizei!« rief eine Männerstimme.
    »Schade um dich«, sagte Leo leise.
    »Schieß doch. Du traust dich ja doch nicht.« Jennys Gesicht verzerrte sich. Sie lachte, als ob sie schreien wollte.
    Jemand trat gegen die Tür.
    Hell hath no fury like a woman scorn’d, dachte Will.
    Die Wohnungstür flog auf. Leo drückte ab. Nicht einmal. Zweimal.

4
    Erst hatte er nein gesagt, als der Arzt ihm eine Beruhigungsspritze geben wollte. Aber jetzt war Will Bastian dankbar für das chemisch herbeigeführte Scheißegalgefühl; es ließ ihn die leere Wohnung leichter ertragen. Und die Stille nach dem

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