Saure Milch (German Edition)
oder her.«
Im Garten wuselten die Polizeibeamten herum.
Nachbar Meiser war auch herübergekommen. Er rammte knapp zwei Meter
vor den Johannisbeerstauden einen Holzpflock in die Erde und hämmerte drauf.
Herr Meiser wohnte mit seiner Frau auf der anderen Straßenseite,
genau vis-à-vis von Fanni. Frau Meiser konnte von ihrem Küchenfenster aus in
Fannis Spülbecken und in Fannis Kühlschrank sehen.
Herr Meiser war nicht so ein Drückeberger wie Fanni. Ganz im
Gegenteil! Kaum waren die Beamten aus den Polizeiwagen gestiegen, hatte Herr
Meiser bereits die Straße gekreuzt und seine Hilfe angeboten.
Herr Meiser wusste eben, was sich gehörte.
Er hatte den Holzpflock aus seinem eigenen Keller geholt, auch
Hammer und Nägel mitgebracht, weil ein Absperrband um den Tatort gespannt
werden musste, und er legte gleich selbst Hand an.
Fanni deckte gerade den Tisch im Esszimmer, als Herr Meiser für die
Polizeibeamten etliche Flaschen Orangensaft über die Straße trug. Frau Meiser
kam mit einem Tablett voller Gläser hinter ihm her.
Meisers sind halt so, dachte Fanni, immer parat, immer hilfsbereit
und überall mittendrin mit der Nase.
Vor ein paar Wochen erst hatte Meiser bei seinem links angrenzenden
Nachbarn Böckl den Rasen gelüftet, weil Böckl selbst einfach nicht dazu kam und
Böckls Frau deswegen dauernd meuterte. Es musste allerdings etwas
schiefgelaufen sein dabei. Fanni hatte keine Ahnung, was, aber sie hatte
bemerkt, dass sich Böckl und Meiser seither aus dem Weg gingen und nicht mehr
miteinander sprachen.
Umso mehr redete Meiser jetzt mit den Polizisten. Sie wussten wohl
inzwischen, wen sie zu verhaften hatten. Meiser hatte ihnen sicher schon
brühwarm erzählt, wie garstig der alte Klein immer mit seiner Schwiegertochter
umgesprungen war.
Als Fanni den Braten aufschnitt, bekam sie mit, wie Meiser der
Nachbarin rechts von Fanni, Frau Stuck, Bericht erstattete.
Hat sich selber zum Pressesprecher befördert, der Meiser, dachte
Fanni und sah zu, wie Meiser Herrn und Frau Beutel (sie wohnten drei Häuser
weiter gegenüber) auf der Straße abfing und ins Bild setzte. Meiser informierte
noch diesen und jenen, den die Polizeiautos herangelockt hatten, über das
spektakuläre Ereignis, und Frau Meiser stand nickend und beipflichtend dabei.
»Selber schuld, dass du über die tote Mirza gestolpert
bist«, nörgelte Fannis Mann, als er zu Mittag die gerösteten Zwiebeln auf seine
Bratenscheibe häufte. »Was rennst du auch mit jedem einzelnen Zwetschgenkern
zum Kompost? Hundertmal hab ich dir schon gesagt, du sollst das Zeug in einem
Eimer sammeln.«
»Schimmelt und stinkt«, redete ihm Fanni dagegen.
»Himmelherrgott«, mampfte Fannis Mann, »du sollst den Eimer doch
nicht vierzehn Tage lang auf dem Ofen stehen lassen!«
»Blödmann.« Fannis Mann hörte es nicht, denn Fanni zerbiss das Wort
und schluckte es mit einer Spirelli-Nudel hinunter.
»Haben die den Alten gleich mitgenommen?«, kaute Fannis Mann.
»Nichts gesehen.« Fanni begann den Tisch abzuräumen.
Es ging auf halb vier zu.
Fannis Mann hockte längst wieder in seinem Büro in der Stadt. Seit
mehr als dreißig Jahren besetzte er einen Angestelltenposten beim
Kreiswehrersatzamt, und Fanni hatte keine Ahnung, was er in letzter Zeit dort
machte. Bis vor zwölf Monaten hatte er haufenweise Einberufungsbefehle und
Musterungsbescheide – nun was?, verschickt?, ausgefüllt?, unterschrieben?
Fanni gab ungern zu, dass sie sich nie dafür interessiert hatte.
Mitte der Neunziger begann sich bei der Bundeswehr unter dem Motto
»Einsparungen« einiges drastisch zu verändern. Die Kostendämpfung schritt
munter fort und gipfelte eines Tages darin, dass der Bundeswehrstandort
Birkdorf aufgegeben wurde. Von heute auf morgen war die Kaserne geschlossen,
sämtliche Soldaten verschwanden, das Munitionsdepot wurde mir nichts, dir
nichts ausgeräumt. Und das Kreiswehrersatzamt? Eben.
Wie zuvor ging Fannis Mann jeden Morgen aus dem Haus, kam mittags
für eine gute halbe Stunde heim, kehrte dann an seinen Arbeitsplatz zurück und
tauchte zwischen fünf und sechs Uhr abends wieder auf. Einmal ließ er eine
Bemerkung darüber fallen, dass der gesamte Betrieb seit der Reform mit nur drei
Mann aufrechterhalten werden musste.
Welcher Betrieb?, dachte Fanni, hütete sich aber, eine derart
subversive Frage zu stellen, und versuchte, ein besorgtes Gesicht zu machen.
Das gelang ihr etwas zu gut, denn ihr Mann wurde auf einmal mitteilsam und
regte sich des Langen und
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