Saure Milch (German Edition)
Stillen, ob Berufsbetreuer unabdingbar
eine juristische Ausbildung vorweisen mussten.
Müller nickte. »Und im
Vertrauen gesagt, er müsste die Hälfte seiner Betreuungen abgeben, wenn er in
seiner Kanzlei nicht so tüchtige Mitarbeiter hätte. Routineangelegenheiten …«
Er unterbrach sich, weil Fanni am Ende der Allee stehen geblieben war, und sah
sie fragend an.
Fanni machte eine
Bewegung zur Lieferanteneinfahrt hin. »Mein Wagen ist auf dem hinteren
Parkplatz abgestellt.« Sie reichte dem Heimleiter die Hand. »Auf Wiedersehen.«
Müller umfasste Fannis
Rechte mit beiden Händen. »Es hat mich sehr gefreut, Sie getroffen zu haben,
Frau Rot.«
Fanni lächelte höflich,
wollte ihm ihre Hand entziehen und endlich zu ihrem Wagen gehen.
Doch er zögerte, sie
loszulassen. »Ich möchte Sie nicht wieder aufregen, aber Herr Hanno hat bei
unserer Besprechung vorhin von Ihrem – ähm – merkwürdigen Erlebnis auf dem
Treppenabsatz erzählt. Haben Sie wirklich Pfleger Roland mit einer blutenden
Wunde dort liegen sehen?«
»Ja«, antwortete Fanni
kurz – und sehr überzeugt.
Müller ließ ihre Hand
los und schüttelte bekümmert den Kopf. »Unbegreiflich, wirklich unbegreiflich.
Denn sehen Sie, Frau Rot, Pfleger Roland ist seit zwei Wochen im Urlaub. Was
hätte er hier zu tun gehabt?«
»Das weiß ich nicht«,
antwortete Fanni aufsässig, »aber ich weiß, dass ich nicht zu Halluzinationen
neige, dass das, was ich sehe, auch tatsächlich da ist.«
Müller schwieg eine Zeit
lang. Fanni schien es, als würde er innerlich mit sich ringen.
Er
fragt sich, ob er dich für voll nehmen kann!
Nach einigen
Augenblicken sagte er: »Ich glaube Ihnen. Aber das macht die Sache erst recht
schwierig, wirft Fragen auf, die wir nicht beantworten können. Wo ist Becker
jetzt? Warum war er überhaupt hier? Und was ist passiert? Hat ihn jemand überfallen?
Wenn ja, wer? – Vielleicht sollten wir doch die Polizei einschalten. Dr. Benat
hat das bereits vorgeschlagen. Aber ich muss zugeben, dass ich – genauso wie
Herr Hanno, der die ganze Sache für ein Hirngespinst hält – strikt dagegen
war.« Er stöhnte und verdrehte die Augen zum Himmel. »Negativschlagzeilen …«
Fanni atmete erleichtert
aus. Der Heimleiter war auf ihre Seite geschwenkt, hielt sie nicht für irre, so
wie Hanno das tat.
Aber
die Polizei wird dich für irre halten, so wie Hanno das tut!
Ja, musste Fanni
zugeben. Deshalb antwortete sie: »Es gibt nirgends eine Spur von Roland Becker.
Nichts würde meine Aussage stützen. Im Gegenteil, dass Roland Urlaub hat und
ihn, wie es scheint, außer mir heute keiner in der Katherinenresidenz gesehen
hat, spricht schwer dafür, dass ich mich geirrt habe. Herr Hanno hat recht.
Wenn Sie die Polizei einschalten, laufe ich Gefahr, wegen groben Unfugs
verhaftet zu werden.«
Müller konnte seine
Erleichterung nicht ganz verbergen, als er antwortete: »Ehrlich gesagt, da muss
ich Ihnen zustimmen.« Er griff nach ihrer Rechten und nahm sie noch mal in
seine Hände. »Aber es widerstrebt mir, Sie mit Ihrem schrecklichen Erlebnis
allein zu lassen. Sie müssen sich jemandem anvertrauen, damit Sie ruhig
schlafen können – Ihrem Gatten, er wird Ihnen den Rücken stärken.«
Fanni nickte und dachte,
dass ihr Hans Rot eher eins aufs Dach geben würde, wenn sie ihm damit käme.
»Und ich«, fuhr Müller
fort, »werde mich die nächsten Tage in der Katherinenresidenz gründlich
umhören. Vielleicht finden wir ja doch noch heraus, was es mit dieser
mysteriösen Begegnung auf sich hat.« Er sah Fanni eindringlich an, und sie
nickte wieder.
Vielleicht
solltest du mal »Danke« sagen! Schließlich bemüht er sich geradezu rührend um
dich!
Fanni riss sich
zusammen. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie mir so zur Seite stehen,
ich …«
Müller winkte ab. »Es
liegt auch in meinem Interesse, die Sache aufzuklären. Wir werden der
Geschichte auf den Grund kommen, das verspreche ich Ihnen. Und scheuen Sie sich
nicht, mich zu kontaktieren, falls Ihnen etwas einfällt, das dazu dienen
könnte, Licht in die Angelegenheit zu bringen.« Wie zur Bestätigung seiner
Worte drückte er ihre Hand. Dann ließ er sie los.
Fanni wollte gerade den
Mund öffnen, um ihm nochmals zu danken und ihm einen guten Abend zu wünschen,
da fügte er hinzu: »Und sollte jemand vom Personal der Katherinenresidenz
taktlos gegen Sie werden – ich fürchte, Herr Hanno hat nicht nur im Laufe des
Meetings auf ziemlich eindeutige Weise von Ihrer
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