Scarpetta Factor - Thriller
merkwürdig«, stimmte Lucy zu. »Das Ding will uns seinen Namen nicht verraten. Er ist in einem Binärcode verschlüsselt, was wohl abschreckend wirken und die Leute zum Aufgeben bewegen soll. Wenn man im Netz surft und auf so eine Seite stößt, hat man normalerweise nicht die Spur einer Ahnung, wo man gelandet ist. Und selbst wenn man es weiß, kommt man nur mit einer Autorisierung oder einem Generalschlüssel rein.«
Generalschlüssel war ihr beschönigender Ausdruck für hacken.
»Ich wette, diese als Binärcode verfasste Adresse wird sich nicht in einen Text mit dem Wortlaut ›BioGraph‹ verwandeln.« Lucy tippte etwas in das andere MacBook ein und öffnete eine Datei. »Denn sonst hätten es meine Suchmaschinen längst gefunden, weil sie auf Zahlenreihen, die Wörter oder Sequenzen repräsentieren, geeicht sind.«
»Mein Gott«, seufzte Marino. »Ich verstehe schon jetzt kein Wort mehr.«
Er war bereits ein wenig übellaunig gewesen, als Scarpetta ihn unten in der Vorhalle abgeholt und in den siebten Stock begleitet hatte. Die Bombe machte ihm zu schaffen. Das würde er ihr gegenüber zwar nie eingestehen, doch nach zwanzig Jahren brauchte er es nicht mehr auszusprechen. Marino war gereizt, weil er Angst hatte.
»Ich fange noch mal von vorn an und versuche, beim Sprechen die Lippen zu bewegen«, gab Lucy spitz zurück.
»Du trägst eine Maske. Also kann ich deine Lippen nicht sehen. Ich muss diese Haube abnehmen. Schließlich habe ich doch gar keine Haare. Mir wird heiß.«
»Dein kahler Schädel sondert Hautzellen ab«, erwiderte Lucy. »Wahrscheinlich staubt es in deiner Wohnung deshalb so. Diese angebliche Uhr ist dazu gedacht, sie an einen Laptop anzuschließen. Wegen der Mikro-USB-Buchse ist sie mit fast jedem Computer kompatibel. Vermutlich liegt das daran, dass auch noch andere Leute diese Uhren tragen und Daten sammeln, so wie Toni Darien. Also wollen wir den Binärcode in ASCII umwandeln.«
Sie tippte eine Reihe von Einsen und Nullen in das andere MacBook ein und bestätigte. Sofort wurde der Code zu einem Text, der Scarpetta zusammenzucken ließ. Ja, er machte ihr sogar Angst.
Caligula .
»War das nicht der römische Kaiser, der Rom angezündet hat?«, fragte Marino.
»Nein, das war Nero«, antwortete Scarpetta. »Caligula war ein noch üblerer Bursche, wahrscheinlich der psychisch gestörteste, lasterhafteste und sadistischste Kaiser in der Geschichte des Römischen Reiches.«
»Ich warte jetzt darauf, den Benutzernamen und das Passwort umgehen zu können«, sagte Lucy. »Um es einfach auszudrücken, ich habe die Website und die Daten im BioGraphentführt, damit die Programme auf meinem Server das Problem für uns lösen.«
»Ich habe mal einen Film über ihn gesehen«, erzählte Marino. »Er hat mit seinen Schwestern geschlafen und wohnte mit seinem Pferd in einem Palast. Vielleicht hatte er auch Sex mit dem Pferd. Ein fieser Bursche. Ich glaube, er war verkrüppelt.«
»Ein ziemlich beängstigender Name für eine Website«, erwiderte Scarpetta.
»Jetzt mach schon.« Lucy hatte keine Geduld mit dem Computer und den Programmen, die unbemerkt arbeiteten, um ihr Zugang zu den gewünschten Informationen zu verschaffen.
»Ich habe dich schon oft davor gewarnt, allein zu Fuß zu CNN und wieder nach Hause zu gehen«, wandte sich Marino an Scarpetta und dachte dabei an die Bombe und seine Erlebnisse in Rodman’s Neck. »Wenn du live im Fernsehen auftrittst, brauchst du einen Bodyguard. Vielleicht siehst du es jetzt endlich ein.«
Er war überzeugt, dass ihm das FedEx-Paket sofort verdächtig erschienen wäre, wenn er sie am gestrigen Abend nach Hause begleitet hätte. Nie hätte er zugelassen, dass sie es berührte. Marino fühlte sich für Scarpettas Sicherheit verantwortlich und übertrieb es manchmal ein wenig damit, was eigentlich ein Witz war, weil er sie selbst vor nicht allzulanger Zeit in die gefährlichste Situation ihres Lebens gebracht hatte.
»Caligula ist vermutlich der Name eines geschützten Projekts.« Lucy war mit dem anderen MacBook beschäftigt. »Das nehme ich wenigstens an.«
»Die Frage ist, was als Nächstes kommt«, sagte Marino zu Scarpetta. »Ich werde den Eindruck nicht los, dass da jemand nur Aufwärmübungen macht. Erst die singende Karte, die Benton gestern ins Bellevue geschickt wurde. Dann, keine zwölf Stunden später, die FedEx-Bombe mit einer Voodoo-Puppe.Mein Gott, hat das Ding gestunken! Bin neugierig, was Geffner davon hält.«
Geffner war
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