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Schach von Wuthenow

Schach von Wuthenow

Titel: Schach von Wuthenow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sah.
    »Ah, Dussek, das ist brav«, begrüßte ihn der Prinz. »Mieux vaut tard que jamais. Rücken Sie ein. Hier. Und nun bitt ich, alles, was an Süßigkeiten noch da ist, in den Bereich unsres Künstlerfreundes bringen zu wollen. Sie finden noch tutti quanti, lieber Dussek. Keine Einwendungen. Aber was trinken Sie? Sie haben die Wahl. Asti, Montefiascone, Tokayer.«
    »Irgendeinen Ungar.«
    »Herben?«
    Dussek lächelte.
    »Törichte Frage«, korrigierte sich der Prinz und fuhr in gesteigerter guter Laune fort: »Aber nun, Dussek, erzählen Sie. Theaterleute haben, die Tugend selber ausgenommen, allerlei Tugenden, und unter diesen auch
die
der Mitteilsamkeit. Sie bleiben einem auf die Frage ›was Neues‹ selten eine Antwort schuldig.«
    »Und auch heute nicht, Königliche Hoheit«, antwortete Dussek, der, nachdem er genippt hatte, eben sein Bärtchen putzte.
    »Nun, so lassen Sie hören. Was schwimmt obenauf?«
    »Die ganze Stadt ist in Aufregung. Versteht sich, wenn ich sage ›die ganze Stadt‹, so mein ich das Theater.«
    »Das Theater
ist
die Stadt. Sie sind also gerechtfertigt. Und nun weiter.«
    »Königliche Hoheit befehlen. Nun denn, wir sind in unsrem Haupt und Führer empfindlich gekränkt worden und haben denn auch aus eben diesem Grunde nicht viel weniger als eine kleine Theateremeute gehabt. Das also, hieß es, seien die neuen Zeiten,
das
sei das bürgerliche Regiment,
das
sei der Respekt vor den preußischen ›belles lettres et beaux arts‹. Eine ›Huldigung der Künste‹ lasse man sich gefallen, aber eine Huldigung
gegen
die Künste, die sei so fern wie je.«
    »Lieber Dussek«, unterbrach der Prinz, »Ihre Reflexionen in Ehren. Aber da Sie gerade von Kunst sprechen, so muß ich Sie bitten, die Kunst der Retardierung nicht übertreiben zu wollen. Wenn es also möglich ist, Tatsachen. Um was handelt es sich?«
    »Iffland ist gescheitert. Er wird den Orden, von dem die Rede war,
nicht
erhalten.«
    Alles lachte, Sander am herzlichsten, und Nostitz skandierte: »Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus.«
    Aber Dussek war in wirklicher Erregung, und diese wuchs noch unter der Heiterkeit seiner Zuhörer. Am meisten verdroß ihn Sander. »Sie lachen, Sander. Und doch trifft es in diesem Kreise nur Sie und mich. Denn gegen wen anders ist die Spitze gerichtet als gegen das Bürgertum überhaupt.«
    Der Prinz reichte dem Sprecher über den Tisch hin die Hand. »Recht, lieber Dussek. Ich liebe solch Eintreten. Erzählen Sie. Wie kam es?«
    »Vor allem ganz unerwartet. Wie ein Blitz aus heitrem Himmel. Königliche Hoheit wissen, daß seit lange von einer Dekorierung die Rede war, und wir freuten uns, alles Künstlerneides vergessend, als ob wir den Orden mitempfangen und mittragen sollten. In der Tat, alles ließ sich gut an, und die ›Weihe der Kraft‹, für deren Aufführung der Hof sich interessiert, sollte den Anstoß und zugleich die spezielle Gelegenheit geben. Iffland ist Maçon (auch
das
ließ uns hoffen), die Loge nahm es energisch in die Hand, und die Königin war gewonnen. Und nun
doch
gescheitert. Eine kleine Sache, werden Sie sagen; aber nein, meine Herren, es ist eine große Sache. Dergleichen ist immer der Strohhalm, an dem man sieht, woher der Wind weht. Und er weht bei uns nach wie vor von der alten Seite her. Chi va piano, va sano, sagt das Sprichwort. Aber im Lande Preußen heißt es ›pianissimo‹.«
    »Gescheitert, sagten Sie, Dussek. Aber gescheitert woran?«
    »An dem Einfluß der Hofgeneralität. Ich habe Rüchels Namen nennen hören. Er hat den Gelehrten gespielt und darauf hingewiesen, wie niedrig das Histrionentum immer und ewig in der Welt gestanden habe, mit alleiniger Ausnahme der Neronischen Zeiten. Und
die
könnten doch kein Vorbild sein. Das half. Denn welcher allerchristlichste König will Nero sein oder auch nur seinen Namen hören. Und so wissen wir denn, daß die Sache vorläufig ad acta verwiesen ist. Die Königin ist chagriniert, und an diesem Allerhöchsten Chagrin müssen wir uns vorläufig genügen lassen. Neue Zeit und alte Vorurteile.«
    »Lieber Kapellmeister«, sagte Bülow, »ich sehe zu meinem Bedauern, daß Ihre Reflexionen Ihren Empfindungen weit vorauf sind. Übrigens ist das das Allgemeine. Sie sprechen von Vorurteilen, in denen wir stecken, und stecken selber drin.
Sie
, samt Ihrem ganzen Bürgertum, das keinen neuen freien Gesellschaftszustand schaffen, sondern sich nur eitel und eifersüchtig in die bevorzugten alten Klassen einreihen will.

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