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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
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Stachelmann schenkte Anne und sich Kaffee nach. Ihr Löffel klang im Becher wie eine kleine Glocke fernab.
    »Das bist du ihm schuldig.«
    »Was?«
    »Dass du in seine Wohnung gehst. Dir diese komischen Akten anschaust. Die sollen ja aus Heidelberg stammen.«
    »Hm.«
    »Das ist doch keine Sache. Schau sie dir an, dann erzähl der Polizei, was drinsteht und was sie bedeuten. Ich stell mir das so vor: Ossi hat in alten Akten, gewissermaßen in alten Zeiten geblättert, in großartigen Zeiten, wie er fand, dann hat ihn der Jammer gepackt, und er hat sich umgebracht, weil er nicht sehen konnte, wie es jemals wieder gut werden könnte.«
    »Wenn es so wäre, wie du sagst, dann hätte er sich erschossen und nicht vergiftet. War es Freitod, dann offenbar mit Vorbereitung. Man hat normalerweise nicht genug Tabletten oder gar Gift im Haus, das muss man erst besorgen. Also war es eher so: Er will sich umbringen, aus welchem Grund auch immer, er bereitet alles vor, und bevor er die Tabletten schluckt, erinnert er sich noch einmal an die gute alte Zeit. Er will mit einer schönen Erinnerung abtreten. Vielleicht hat er Mist gebaut im Dienst und hat Angst, dass es rauskommt, vielleicht leidet er unter Depressionen, wundern würde es mich nicht, vielleicht hatte er einfach die Nase voll von einem beschissenen Leben.«
    Sie schaute ihn fragend an. »Selbstmord ist schrecklich.«
    »Keineswegs«, sagte er. »Freitod ist kein Mord, sondern jedermanns gutes Recht.«
    Wieder ein langer Blick, traurig. Er sah, wie sie eine Frage stellen wollte, sie dann aber nicht aussprach. Sie sagte etwas anderes: »Du hast keine Depressionen?«
    Die Frage erstaunte ihn. Was hatte er damit zu tun? Er war ja sonst bereit, alles auf sich zu beziehen, Schuld zu suchen, wo andere keine fanden. Sie kannte ihn doch, nein, er war manchmal niedergeschlagen, aber Depressionen sind was anders. Sie sind eine Krankheit.
    Mit Ossis Abgang hatte er nichts zu schaffen. Obwohl, wenn er öfter mit ihm gesprochen hätte? Er wehrte den Gedanken ab. Aber der kam wieder. »Ich hätte mich öfter mit ihm treffen sollen. Seit dieser Geschichte mit Griesbach hab ich ihn nicht mehr gesehen. Obwohl er mir geholfen hat. Wir haben ein-, nein zweimal miteinander telefoniert, er hat angerufen, um zu quatschen.«
    »Übertreib nicht«, sagte sie. »Als brächte sich jeder um, den du nicht mit deinem Besuch beglückst. Red dir das nicht ein.«
    »Wenn ich doch nur eine Ahnung gehabt hätte. Eine Andeutung Ossis, das hätte genügt.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, die Kaffeebecher klapperten. Anne erschrak. Mit Ärger im Blick stand sie auf und verließ wortlos die Küche.
    Stachelmann saß noch lange, trank einen weiteren Becher Kaffee, erinnerte sich. Und fragte sich, ob Ossi nicht Recht gehabt hatte, wenn er sich getötet hatte. Er überlegte, wie oft er mit dem Gedanken gespielt hatte abzutreten. Einfach so, ihr könnt mich alle mal. Der Gedanke reizte ihn. Wenn einem das Leben zur Qual wird, warum soll man es nicht beenden?
    * * *
    17. April 1978
    Dieses Schwein. Verräter sind wie Wanzen. Die zerquetscht man auch. Obwohl, Wanzen können nicht wählen, ob sie Wanzen sein wollen. Also sind Verräter schlimmer. Den Feind sieht man klar vor Augen, und er sieht dich. Die Faschisten und ihre – naiven??? Sie müssten es doch wissen!!! Also wollen sie es!!! – Helfer bekämpfen uns mit allen Mitteln. Demokratie, dass ich nicht lache. Wenn die »Demokratie« die falschen Ergebnisse produziert, wird sie abgeschafft. Beispiel Pinochet. Aber ein Verräter ist doppelt gefährlich. Er zersetzt die eigenen Reihen, er verrät deine Taktik an den Feind. Wie viele Kriege wurden durch Verrat entschieden? Wir sind auch im Krieg. Sie töten uns. Und wir töten sie, wenn es notwendig ist. Ich will nicht töten, es ist eklig. Und hoffentlich muss ich es nicht. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre es gewesen, der das Schwein abgeknallt hat, ich müsste dauernd dran denken. Ich war sauer, als es passiert war, stinksauer. Mir hatte niemand was gesagt. Man will es doch vorher wissen, wenn man bei einer Hinrichtung mitmacht. Auch ein Revolutionär muss sich auf so was vorbereiten. Es hätte doch nichts gekostet, mir wenigstens was anzudeuten. Ich hätte trotzdem mitgemacht, oder? Doch, Verräter sind schlimmer als Wanzen.
    Habe Angelika gesehen, zufällig, beim neuen Italiener in der Hauptstraße. Irgendwer hat gesagt, sie habe einen scharfen Hintern. Das stimmt. Ich glaube, sie hat mir

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