Schatten eines Gottes (German Edition)
Name der großen Stadt, die die Herrschaft hat über die Könige der Erde.
Ich kenne deine Werke. Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien.
Ich kenne deine Werke. Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot. Werde wach und stärke, was noch übrig ist, was schon im Sterben lag. Denke also daran, wie du die Lehre empfangen und gehört hast. Halte daran fest, und kehr um! Wenn du aber nicht aufwachst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich komme.
Denn wer das Kennzeichen auf seiner Stirn trägt, der muss den Wein des Zornes Gottes trinken, der unverdünnt im Becher seines Zorns gemischt ist.«
»Wir wurden benutzt!«, schäumte Octavien. »Und wir ahnen bereits, wer uns diesen Streich gespielt hat. Doch niemand anderes als der alte Wächter.«
Emanuel starrte nachdenklich auf das Pergament. »Vielleicht. Zweifellos hat er einiges zu verbergen.«
»Fragen wir ihn. Ich werde die Wahrheit schon aus diesem Hund herausprügeln. Er sitzt da oben wie ein Kaninchen in der Falle.«
Schon war Octavien aus der Grube gesprungen, als Emanuel ihm zurief: »Haltet ein! Wartet! Hier steht noch etwas.«
Emanuel hielt das leere Kästchen in der Hand. »Hier. Auf dem Boden ist etwas eingraviert. Non semper ea sunt, quae videntur. – Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.«
»Das hört sich ganz so an, als sei es an den Finder gerichtet. Doch was hat das zu bedeuten? Was ist nicht so, wie es scheint?«
»Eigentlich alles. Wir befinden uns in einem Netz aus Intrigen, Lügen und falschen Hinweisen. Dieses Schriftstück ist zweifellos nicht das Geheimnis, von dem in dem Tagebuch der Templer die Rede war. Aber das beweist noch nicht, dass es nicht vorhanden ist. Jemand will uns ablenken, uns glauben machen, es gebe nichts, wonach es sich zu suchen lohnt. Aber wenn dem so wäre, hätte sich niemand die Mühe gemacht, uns auf eine falsche Spur zu locken.«
»Ich bin ganz Eurer Meinung.«
Octavien sah angewidert an sich herab. »Ich sehe aus wie ein Waldschrat, stinke nach alten Knochen und starre vor Schmutz. Und das alles wegen nichts. Wenn der Alte darin verwickelt ist, ziehe ich ihm die Haut lebendig ab. Wahrscheinlich sind die Skelette auch keine Mönche, sondern irgendwelche armen Teufel, die man woanders ausgebuddelt hat, um sie uns vor die Nase zu setzen.«
»Ja. Selbst die Grabsteine könnten nachgemacht sein. Ziemlich viel Aufwand für eine Botschaft an Papst Innozenz.«
»Ihr glaubt immer noch an ein echtes Pergament aus der Zeit Jesu?«
»Ja. Jetzt um so mehr.«
»Dann will ich mich jetzt um den Alten kümmern. Vielleicht sind wir nach dem Verhör schlauer.«
Emanuel sah Octavien nach, wie er in dem Turm verschwand. Er wischte sich die schmutzigen Hände an der Tunika ab und rollte das Pergament vorsichtig wieder zusammen. Dann band er die Hanfschnur darum. Auch sie war noch nicht alt. Nach hundert Jahren hätte sie das Pergament wohl nicht mehr zusammengehalten. Was ist nicht so, wie es scheint? Emanuel ging unter der Mauer auf und ab und grübelte über den Sinn des Spruches nach.
Plötzlich vernahm er aus dem Turm ein Poltern, es folgte ein unanständiger Fluch. Kurz darauf erschien Octavien im Eingang, das Gesicht voller Spinnweben, die er mit ärgerlichen Handbewegungen zur Seite fegte. »Nichts!«, brüllte er. »Der Turm ist leer und der Lumpenkerl ist verschwunden. Da oben wohnt schon lange niemand mehr. Nichts als Spinnen und Kellerasseln. Die Treppe ist auf halber Höhe eingestürzt. Der Galgenvogel muss durch einen geheimen Gang geflohen sein. Der ist längst über alle Berge, während wir uns mit falschen Gerippen und falschen Pergamenten amüsiert haben.«
Emanuel unterdrückte gerade eben noch einen lästerlichen Fluch, der ihm nicht angestanden hätte. »Wir haben uns abermals übertölpeln lassen. Fehler um Fehler sind uns unterlaufen. Wer mit uns sein Spiel trieb, der hatte es leicht.«
Octavien hockte sich auf einen Mauerstein, sein Schwert auf den Knien. »Was nun? Wir sind so schlau wie zuvor.«
»Nicht ganz. Heute können wir sicher sein, dass damals etwas ungeheuer Wichtiges ausgegraben wurde. Es wird alles getan, um es zu schützen.«
»Aber wer schützt es?«
»Wollt Ihr meine Meinung wirklich wissen? Die Tempelritter selbst. Es muss eine Sache von so großer Tragweite sein, dass nicht einmal der Papst davon erfahren darf.
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