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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Bruderschaft verfolgt wurden? Stand das große Ziel auf dem Spiel, auf wessen Seite würde Sinan dann stehen?
    Aber am schlimmsten war, dass er nicht mehr wusste, wohin er gehörte, zu wem er seine Zuflucht nehmen sollte. Sein ganzes Sinnen stand ihm nach Flucht, doch diesen Ort verließ man nur, wenn der Meister es erlaubte. Wohin sollte er auch fliehen? Sicher würde Altenberg ihn wieder aufnehmen, aber konnte er dort leben und wirken, nachdem er all die anderen Schätze kennengelernt, die Weisheiten fremder Länder erfahren und von den ungeheuren Möglichkeiten gehört hatte, die das Christentum ungenutzt ließ? Einen großartigen Aufstieg hatte er sich erträumt. Nun waren beide Türen für ihn verschlossen, die Kirche und auch die Bruderschaft.
    »Bitte warte mit deiner Abreise, bis Octavien zurück ist«, hatte er Sinan gebeten. Emanuel wusste nicht, ob der Templer ihm helfen konnte, aber in seiner Gegenwart fühlte er sich sicherer.
    »Aus welchem Grund?«
    »Er könnte unterwegs etwas gehört haben, nicht wahr? Über das Pergament, meine ich.«
    Sinan lächelte verbindlich. »Du brauchst deinen Beschützer, habe ich recht? Du traust mir nicht.«
    »Auch wenn wir Brüder sind, du bist immer noch ein Fremder für mich«, gab Emanuel offen zur Antwort.
    Sofort schien sich ein Schleier von Eis über Sinans Züge zu legen. »Sagte ich nicht, dass ich dir glaube? Zweifelst du an meiner Aussage, Sarmad?«
    Sarmad! Von der ersten Sekunde an hatte Sinan ihn mit diesem fremden Namen angeredet. Auch daran konnte er sich nicht gewöhnen, aber natürlich passte sein Mönchsname Emanuel auch nicht mehr zu ihm.
    »Nein. Aber ich fühle mich hier nicht mehr zu Hause.«
    Sinan sah Emanuel abwägend an. »Fühlst du dich der Bruderschaft nicht mehr verpflichtet?«
    »Ich möchte auch weiterhin an den Zielen mitarbeiten, die ich als richtig erkannt habe, aber innerhalb dieser Mauern bin ich mit Folter und Tod bedroht worden. Sie haben für mich jeglichen Reiz verloren. Ich kann die Erinnerung daran nicht abschütteln. Immer denke ich daran, was wäre mit mir geschehen, wenn ich nicht dein Bruder wäre?«
    »Wir müssen uns schützen«, erwiderte Sinan ungerührt.
    »Aber ich habe nichts Schlechtes getan, ich habe dir die Wahrheit gesagt, ich bin kein Verräter. Du hättest einen Unschuldigen getötet.«
    »Die Umstände sprachen gegen dich. Ich kann nicht in deinen Kopf schauen. Viele Geständnisse werden durch Folter erlangt. Das erlauben selbst die Gesetze.«
    »Doch ihr wollt eine neue, eine bessere Welt aufbauen. Glaubst du, dass in so einer Welt die Folter Platz hat?«
    »Nein. Aber noch befinden wir uns im Sumpf der alten Welt und müssen mit den bewährten Werkzeugen arbeiten.«
    »Vergib mir, wenn ich das aus meiner Sicht anders betrachte. Ich war das Opfer.«
    »Natürlich ist immer alles eine Sache des Standpunktes«, antwortete Sinan schulterzuckend. »Wenn die Vöglein jubilieren, singen die Würmer nicht mit.«
    »Und von dir kann noch der Teufel lernen.«
    Sinan verlor die Geduld bei diesem Schlagabtausch. Er war es nicht gewohnt, dass man ihn für seine Taten tadelte. »Es ist doch immer wieder erstaunlich«, spottete er, »wie Männer Gottes, die ungerührt den Leiden Tausender Kinder zusehen, sich die Haare raufen, wenn sie selbst das Opfer sind.«
    »Das sind …« Emanuel blieb das Wort im Halse stecken. ›
Das sind alles Märtyrer des Glaubens‹
, hatte er sagen wollen. Rechtzeitig fiel ihm ein, dass es eine äußerst unpassende Antwort gewesen wäre. Er bemühte sich, dem heiklen Thema auf andere Weise die Schärfe zu nehmen. »Nicht zuletzt wegen solcher Verbrechen habe ich mich entschieden, den Weg des Mithras zu gehen«, erwiderte er demütig. Damit trieb er die Heuchelei auf die Spitze, er hasste sich selbst dafür, doch die Wahrheit hätte ihn wahrscheinlich das Leben gekostet.
    »Dennoch kannst du deine empörten Gefühle über den Angriff auf dich nicht der gemeinsamen Sache unterordnen.«
    »Es wäre leichter für mich, wenn du es nicht gewesen wärst. Mir graut vor deiner Kälte, deiner Grausamkeit. Du handelst, als seiest du selbst ein Dämon.«
    »Das geschieht, weil ich Ranush der Löwe bin, der Anspringende, der Zerreißer, der Zerfleischer. In der nächsten Stufe werde ich zum Parsen, dann wäre es meiner unwürdig, mich mit Blut zu beflecken.«
    Emanuel hatte bereits von Nathaniel ein wenig über diese Dinge erfahren. Aber es beruhigte ihn nicht. Konnte ein Mensch sich wirklich so

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