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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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regen, so als wäre in ihm eine kleine,
muntere Quelle ans Licht gelangt, die ihn nicht mit Wasser, sondern mit Glück
versorgte.
    Er warf einen
letzten Blick auf die Noten und verließ das Zimmer.
    Noch im Stehen
beugte Carl Philipp Emanuel Bach seine kleine, etwas dickliche Gestalt nach
vorn, griff in die Tastatur des Cembalos und spielte mit einer Hand die ersten
Töne des Stückes. Er wiederholte es mechanisch, fast zwanghaft, als wolle er
eine seelenlose Spieluhr nachahmen. So klang es wie die fixe Idee eines
Idioten. Ein spöttisches Grinsen erschien auf seinem feisten Gesicht.
    »Nach zweihundert
Konzerten gehen einem schon mal die Ideen aus – was, Herr Quantz?«
    Die anderen Musiker
waren damit beschäftigt, ihre Instrumente auszupacken. Benda hatte gerade
seinen Geigenkasten geöffnet, den Bogen herausgeholt und spannte ihn nun
vorsichtig. Mara hob sein Cello auf und zupfte prüfend die Saiten an.
    Alle außer dem Hofflötisten
trugen die blaue Livree der Hofkapelle. Quantz, der direkt dem König
unterstellt und deshalb dazu nicht verpflichtet war, hatte sich für einen Rock
entschieden, der dieselbe Farbe aufwies, allerdings in einem deutlich helleren
Ton. Der Kontrast zu den offiziellen Uniformen der Musiker erinnerte an den
Unterschied zwischen Offizieren und einfachen Soldaten. Bei den Ranghöheren war
alles strahlender und glänzender. Tressen und Borten waren bei den höheren
Rängen sogar mit Silber oder Gold durchwirkt. So etwas auf Zivilkleidung
anzubringen, wäre übertrieben gewesen, aber Quantz hoffte, dass die von Sophie
auf Hochglanz polierten Knöpfe einen ähnlichen Eindruck machten.
    Als wäre es eine
Gnade, dass er sich mit der Musik überhaupt befasste, nahm Bach umständlich am
Cembalo Platz und klimperte mit beiden Händen, ohne Elan, mehr wie ein Lehrer,
der die Arbeit eines Schülers prüft und voller Verzweiflung nach einem guten
Gedanken darin sucht.
    Quantz schluckte den
aufkeimenden Ärger über das Verhalten des Pianisten hinunter. Ihm war klar, was
dahintersteckte: der pure Neid. Die anderen Musiker ließen sich nichts
anmerken, nur Bach zeigte Quantz immer wieder fast unverhohlen seine Missgunst.
Als hätte er seine Gefühle nicht im Griff.
    »Meine Herren, es
ist spät«, sagte Quantz in Bachs Spiel hinein und legte Autorität in seine
Stimme. »Seine Majestät erwartet eine gute Musik von uns. Ich bitte um
Disziplin.«
    »Der Fluss steigt
nicht höher als die Quelle«, brummte Bach, der die Hände von der Tastatur
genommen hatte. »Unser Spiel kann nie mehr Qualität besitzen als die Musik, die
man uns vorlegt.«
    »Gut gesagt, Herr
Bach«, kam es von Benda in breitem böhmischem Akzent. Seine weit
auseinanderstehenden Augen, die ihm das Aussehen eines Froschs gaben, wanderten
über die bereitliegenden Noten auf dem Pult. »Doch, mein Lieber, Sie vergessen,
wer die wahre Quelle dieser Musik ist. Und welcher Fluss kann schon höher
steigen, als es der Geschmack eines starken Königs erlaubt?«
    Ein schiefes
sprachliches Bild. In Quantz begann sich heißer Zorn anzusammeln, er sah Bach
abfällig an. Der Pianist gab den Musikern gerade den Kammerton zum Einstimmen.
    Die Enge in Quantz’
Musikzimmer machte sich bemerkbar. Mara, der Cellist, war außer Bach der
Einzige, der saß. Er drängte sich neben das Cembalo und las seine Bassstimme
aus den Noten auf dem Flügel mit. Engke, der Bratschist, hatte das Stehpult im
Rücken. Die beiden Geiger standen vor dem Fenster.
    Für Quantz war kein
weiteres Pult vorhanden. Er würde seinen Part auswendig spielen.
    Er gab das Zeichen
und sie begannen. Und da sprudelte sie wieder, die Quelle des Glücks in Quantz’
Seele. Er genoss es immer wieder, die Musik zu hören, die in den vergangenen
Tagen nur in seinem Kopf gewesen war. Es erfüllte ihn mit einem befriedigenden Gefühl
der Dankbarkeit und des Stolzes. Da konnte der junge Bach so viel Häme
verbreiten, wie er wollte.
    »Im Mittelsatz bitte
mehr Zurückhaltung«, sagte Quantz, als sie das Konzert durchgespielt hatten.
    Benda, auf dessen
Stirn sich Schweißperlen zeigten, nickte. Im engen Zimmer war es warm und
stickig geworden. Quantz bahnte sich den Weg zum Fenster und öffnete es.
    »In einem großen
Raum könnte das angehen, aber im Konzertzimmer des Schlosses …?«
    »Wir werden sehen«,
sagte Graun. Er sah Quantz an. »Wünschen Sie einen weiteren Durchgang?«
    »Wir haben Zeit, und
es würde Ihnen Sicherheit geben. Der König wird seine Partie nicht vom Blatt
beherrschen,

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