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Schatten über Sanssouci

Schatten über Sanssouci

Titel: Schatten über Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Buslau
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dem
Holzgeländer des Kanals stehen und schloss die Augen. Als die Musik zu Ende
war, konnte er nicht umhin und klatschte in die Hände.
    Und dann sagte
jemand etwas. Andreas erkannte die Stimme. Sie hatte in der Nacht zu ihm
gesprochen.
    Das
büßt du mir!
    Er hatte die Worte
noch genau in den Ohren.
    Wo war die Stimme
hergekommen? War der Mann in der Nähe? Andreas öffnete die Augen. Es klirrte,
als jemand das Fenster schloss.
    Ohne nachzudenken,
lief Andreas an den Kutschen vorbei in das Haus. Die Tür war, wie bei den
meisten Häusern in Potsdam, tagsüber unverschlossen. Oben unterhielten sich
Menschen.
    War er in die Falle
gegangen? Was, wenn der Teufel hier auf ihn lauerte? Ihn herlocken wollte?
Nein, Andreas war sicher, dass die Stimme nicht aus dem Haus gekommen war.
Vielleicht hatte er sich auch getäuscht. Hier, bei Herrn Quantz, war er sicher.
    Hinten führte eine
weitere Tür in ein Gärtchen, das bis an eine Mauer reichte. Gerade Reihen
aufgehäufelter Erde bedeckten die kleinen Beete. Hier konnte er sich nirgends
verstecken.
    Eine andere Tür.
Eine Treppe. Da ging es in den Keller. Modriger Geruch drang herauf.
    Andreas stieg
hinunter ins Dunkel. Etwas Weiches streifte über seine Wange. Er zuckte vor
Schreck zusammen. War da jemand? Vorsichtig streckte er die Hand aus. Seine
Finger trafen einen Vorhang, der ein Regal bedeckte. Andreas stand in der
Dunkelheit und wartete. Er konnte lange stehen, lange warten, sich lange
unsichtbar machen.
    Dann waren von oben
wieder die Stimmen zu hören. Mehrere Personen kamen die hölzerne Treppe
herunter und verließen das Haus.
    Nach einigen
Momenten schnaubten draußen die Pferde, und die Kutschen setzten sich in
Bewegung.
    Andreas, der immer
noch reglos dastand, tastete sich in eine Ecke und kauerte sich hin.

3
    Quantz
nickte kurz dem Fuhrmann Lukas Brede zu, der mit seinen Gehilfen wie so oft für
den Transport ins Schloss sorgte. Es waren drei Coupé-Kutschen, die die Musiker
beanspruchten – kleine Fahrzeuge, mit denen man am besten durch die engen
Straßen kam.
    Quantz versuchte
Bach zu ignorieren, der neben ihm saß, die feisten Knie angezogen, und mit der
Hand eine imaginäre Melodie auf dem Oberschenkel spielte.
    Es dauerte knapp
zwanzig Minuten, bis man vom Haus des königlichen Flötisten aus das Schloss
erreichte, und in dieser Zeit wollte sich Quantz dem Gefühl der wachsenden
Erregung hingeben, das ihn erfüllte.
    Gemütlich zogen die
gleichförmigen Fassaden an ihnen vorüber. Je näher sie dem Tor kamen, desto
mehr zwei- bis dreistöckige Steinhäuser gab es, die auf Befehl des Königs seit
einigen Jahren nach und nach entstanden. Sie strahlten mit ihren gleichmäßigen
Fensterreihen und den kleinen Freitreppen zu den hochgelegenen Eingängen hin
eine beruhigende Ordnung aus. Die Kutsche wurde noch langsamer, als sich der Tross
dem Tor näherte. Die Wachen kannten die Hofmusiker und wussten, wo sie
hinwollten. Man winkte sie durch, und sie bogen nach rechts auf die Straße ab,
die sich in großen Kurven nach Sanssouci hinaufwand. Dabei entstand Geruckel.
Quantz und Bach stießen mit den Knien aneinander.
    »Seltsam, dass der
König mit immer demselben Konzert zufrieden ist«, sagte Bach in einem
beiläufigen Tonfall, als spreche er vom Wetter.
    Quantz trafen die
Worte wie Messerstiche. »Wie meinen Sie das?«, fragte er. Dabei wusste er es
genau.
    »Nun, Herr Quantz –
seien wir doch einmal ehrlich. Das Muster eines solchen Concertos ist immer
dasselbe. Als ob man einen Automaten die Musik schreiben lassen würde.«
    Quantz bemühte sich,
den aufflammenden Ärger nicht zu zeigen. »Es sind Gefühle, die darin zum
Ausdruck kommen, Herr Bach. Gefühle wie Freude, Liebe oder Erhabenheit. Diese
Gefühle sind auch immer dieselben. Der Dichter beschreibt sie mit immer anderen
Worten, der Musiker mit immer anderen Tönen. Doch was in den Menschen vorgeht
und auf welche Weise es sich vollzieht, bleibt sich immer gleich. Es ist ewig.
Ich muss mich wundern, dass Ihnen als Musiker dieser Gedanke so fremd zu sein
scheint.«
    Bach hatte nicht
aufgehört, auf seinem Knie Klavier zu spielen. Quantz glaubte, den Rhythmus des
imaginären Stücks zu erkennen. Dann wurde ihm klar, dass Bach das Thema seines
Konzerts spielte – nein, nicht spielte. Er klimperte es. Als sei es gar nichts.
    »Und doch sind die
Menschen alle verschieden, oder nicht?«, sagte Bach.
    Quantz wandte den
Blick ab und betrachtete das hohe Gitter, hinter dem sich die lange Flucht

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