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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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noch auf dem Boden wand. Das linke Hinterbein schien schlimm verletzt zu sein. Dafür war der Rest des Rudels umso wendiger. Als sie uns einkreisten, huschend, mit gefletschten Zähnen und diesem grausamen Schattenlachen, sah ich die menschlichen Gestalten: die Rothaarige und ihre Freundin, eine Frau mit Schweißband und Joggingklamotten, und ein hageres, farbloses Mädchen, das ich noch nie gesehen hatte. Schließlich noch die Businessfrau aus dem Café – und eine Frau, die mir schon einmal in der U-Bahn begegnet war. Die mit dem straff zurückgekämmten Haar. Nur hatte sie damals noch eine Sonnenbrille getragen. Und natürlich: Juna. Heute trug sie weder Stöckelschuhe noch Businesskleidung, sondern eine schwarze Hose, die sie beweglich machte, und ein ärmelfreies Shirt. Der Geruch von Keller haftete an dem Rudel, das Aroma alter Bücher in verrottenden Kisten, von Mäusedreck und Spinnweben. Eine mörderische Mischung zusammen mit den Resten der Parfüms. Größtenteils nachtaktiv. Höhlenbewohner. Kein Kodex, keine Tötungshemmung.
    »Hinter dir!«, schrie Zoë.
    Ich erwischte Juna mit der Metallkralle an der Schulter, doch sie hatten uns bereits umzingelt. Dann begann der Tanz um Leben und Tod.
    »Irves!«, brüllte ich wieder. Dann war keine Zeit mehr für Gedanken. Die Gegenwart implodierte zu einem Wirbel von Zähnen, Schmerz, Aggression und Adrenalin. Als ich schwer atmend herumwirbelte, sah ich, dass ich zumindest die Rothaarige zu Boden befördert hatte. Trotzdem: Lange würden wir nicht durchhalten.
    Ein ferner Knall pochte wie ein kleiner Wattehammer an mein Trommelfell und ließ auch die Hyänen kurz zögern. Dann fiel ein Schatten auf den Hof. Die Hyänen hielten inne. In den Menschengesichtern spiegelte sich Verwirrung. Keuchend blickte auch ich nach oben und konnte kaum fassen, was ich da sah: Auftritt Julian, der Schauspieler.
    Er stand auf dem Dach, die Hand in dramatischer Pose erhoben. Und dann schmetterte er mit donnernder Stimme in den Hof: » Von allen Wundern, die ich hab vernommen, erscheint das größte mir der Menschen Furcht. Sie sehen doch: der Tod, das Schicksal eines jeden Menschen, kommt zu ihm, wann er kommen soll .«
    Die kurze Irritationspause genügte, um mir Zeit zu verschaffen, zu Zoë zu kommen. Dann stürmte der Rest der Gemeinschaft den Hof.
    »Irves!«, schrie Zoë. »Wurde auch Zeit!«
    Der Schneeleopard fegte an uns vorbei. Das Kichern des Hyänenschattens vermischte sich mit Junas halb empörtem, halb entsetztem Schrei, als Irves ihr an die Kehle ging. Dann wurde der Schrei zu Schmerz- und Wutgeheul. Julian kletterte blitzschnell vom Dach. Eve war ein fliederfarbener Streif, Claire und Thomas drängten eine Hyäne in die Ecke. Wenn je die Hölle gekocht hatte, dann auf diesem Hof. Ich stürzte mich auf eine der Hyänen. Mein Pantherkörper umhüllte mich wie Herkules das Fell des Nemeischen Löwen – wie eine warme zweite Haut, die mich mit allen Instinkten und Sinnen schützte.
    Wieder ein dumpfer Knall – und dann das Bersten von klirrenden Scheiben. Eine Explosion von Rauchgestank. Ich musste beinahe würgen, so intensiv war er. Benzin! In den Augen der Hyäne, die ich nun zu Fall gebracht hatte, spiegelte sich Entsetzen. Unwillkürlich folgte ich ihrem Blick und erstarrte. Ich war wirklich im falschen Film. Schwarzer Rauch stieg aus der Richtung des Alten Schlachthofs in den Himmel. Und am zerborstenen Fenster des Antiquariats stand ein Rachegeist mit glühenden Augen, rußgeschwärztem Gesicht und Asche im Haar, in der einen Hand einen Benzinkanister, in der anderen eine brennende Fackel. Erst als ich zwinkerte, sah ich den Leoparden, der sich hinter Gizmo verbarg. Im Haus knisterte es, dann quoll plötzlich Rauch aus dem Fenster hervor: Dick und schwarz wälzte er sich hervor und hüllte Gizmo ein. Er schleuderte den leeren Kanister in den Hof, kletterte aus dem Fenster und warf die Fackel in das Fenster. Es verwandelte sich in ein brüllendes Maul aus Rauch, Feuer und Splitterregen, während Gizmo sich im Schutz der Mauer festklammerte.
    Die Hyänen drängten sich als Gruppe um den Baum, die verletzte Löwin in ihrer Mitte. Gizmo blickte grimmig auf sie hinunter.
    Irves reagierte schnell. Er trat direkt unter das Fenster und wandte sich den Hyänen zu. »Ihr habt exakt zwanzig Minuten Zeit, um aus der Stadt zu verschwinden«, knurrte er. Dann holte er Luft und sagte den Satz, den ich nie wieder vergessen würde: »Sonst rufen wir auch noch die

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