Schattenelf - 4 - Feuerzauber
nicht gewesen, Belli’mar Juraviel hätte nicht das Geringste gegen diese Gefangenschaft einzuwenden gehabt.
»Ständig legst du Pausen ein!«, beschwerte sich Pherol, als Juraviel seine Geschichte wieder einmal unterbrach, um suchend in der Grube umherzulaufen.
Mit einem missfälligen Murren schnappte sich der Elf einen Stein und betrachtete ihn kurz, ehe er ihn wieder wegwarf.
»Was soll das?«, fuhr der Drache ihn an.
»Wie soll ich auf einer so kahlen Bühne eine vernünftige Aufführung auf die Beine stellen?«, erwiderte Juraviel verärgert.
»Aufführung auf die Beine stellen? Ich habe dich gebeten, eine Geschichte zu erzählen!«
»Aber es ist eine Geschichte von Kampf und Mut, von lebenden und toten Helden!«, entgegnete der Elf schlagfertig. »Entweder ich erzähle die Geschichte so, dass ich dem Gedenken Nachtvogels gerecht werde, oder ich lasse es bleiben!«
»Du wirst sie erzählen, wie …« Der Drache wollte zu einer scharfen Erwiderung ansetzen, aber dann unterbrach er sich plötzlich, sah sich gründlich um, betrachtete erst Juraviel, dann Cazzira und schließlich die nahezu vollkommen leere Grube. Sein Blick wanderte zurück zu Juraviel, und schließlich nickte er. »Kommt mit«, forderte er die beiden auf. Er ging zu Cazzira, hob sie mit seinem kräftigen Arm vom Boden hoch und schnappte sich auf ganz ähnliche Weise Juraviel.
Mit einem gewaltigen Satz verließ der Drache die Grube und setzte die beiden Elfen auf dem steinernen Fußboden einer riesigen, mit Rüstungsteilen und Waffen sowie Bergen von Silber- und Goldmünzen gefüllten Schatzkammer ab, in der es vor Edelsteinen und Geschmeide nur so funkelte.
»Hier hast du deine prächtigere Kulisse«, erklärte der Drache.
Juraviel nickte und schlenderte umher, um sich den Schatz genauer anzusehen. Er überlegte, ob es hier möglicherweise Gegenstände gab, für die sich eine bessere Verwendung finden ließe denn als Requisiten eines Stückes, ein solides Schwert vielleicht oder einen Edelstein, der ihm zur Freiheit verhelfen würde.
Aber der Gedanke an den Gegner, den er dabei zu besiegen hätte, ließ ihn den Einfall augenblicklich als unsinnig verwerfen; diese Kreatur wäre ihm selbst dann noch überlegen, wenn er das vortrefflichste Schwert der Welt in Händen hielte, die allerbeste Rüstung trüge und im Besitz des größten Edelsteins wäre, den es gab.
Außerdem hatte er eigentlich gar nicht die Absicht, mit Pherol zu kämpfen, selbst wenn er überzeugt gewesen wäre zu gewinnen.
Der Gedanke ließ ihn einen Moment innehalten und brachte ihn zu einer überraschenden Erkenntnis. Hatte er etwa angefangen, den Drachen Pherol zu mögen?
Juraviel schüttelte den Gedanken ab und räusperte sich, ehe er seine Geschichte wieder aufnahm, indem er zwischen den Schatzhaufen und den verschiedenen Felsvorsprüngen der Felsenhöhle auf und ab lief, um die handlungsreichen Szenen zu veranschaulichen. An einer Stelle griff er sogar zum Schwert, um die Schlachten nachzustellen, die Nachtvogel und Pony im und um den Barbakan hatten schlagen müssen. Wieder bediente er sich dabei sehr großzügig des Stilmittels der Ausschmückung und nahm sich jede Menge künstlerischer Freiheiten heraus, denn er hatte es nicht übermäßig eilig, zum Ende zu kommen.
An einer Stelle, er schilderte gerade die Flucht vor den Riesen am Ring um den Barbakan, lief Juraviel einen Berg aus Münzen hinauf, warf sich über dessen höchsten Punkt und ließ sich auf der Rückseite wieder hinuntergleiten, wo er für eine Weile aus dem Blickfeld seiner beiden Zuhörer verschwand. Dort, verborgen vor ihren Blicken, harrte er eine Weile aus, bis Pherol sich schließlich mit dröhnender Stimme erkundigte: »Wo steckst du, kleiner Mann?« Argwohn und wachsender Unmut in seiner Stimme waren nicht zu überhören.
Augenblicklich kam Juraviel, ein blinkendes Schwert hoch über den Kopf erhoben, inmitten eines Berges von Münzen wieder zum Vorschein. »Das riefen die Riesen!«, proklamierte er theatralisch und machte, mit dem Schwert die Luft rings um sich her zerteilend, einen Satz nach vorn. »Wo seid ihr? Und Nachtvogel sprang, umgeben vom wilden Blinken seines Schwertes Sturmwind, hervor, streckte die mächtigen Bestien nieder und schlug sie in die Flucht.«
Zum großen Entzücken sowohl Cazziras als auch Pherols verfiel der Elf bei der Ausschmückung seiner Geschichte in eine wilde, ungestüme Abfolge tänzelnder Bewegungen.
Er schloss, indem er sich zu den beiden
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