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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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Jahre.«
    Washburn nahm die Hände auseinander, schob sich den Rest seines Sandwich in den Mund. »Ich sage ja nur.« Er kaute ein paarmal. »Ich sage ja nur, es könnte nicht schaden, sich zumindest mal Gedanken darüber zu machen.«

21
    Washburns Entscheidung, Anthony Onofrio als nächsten Zeugen aufzurufen, lag die Strategie zugrunde, bei jeder Gelegenheit den Krieg in den Prozess einzubeziehen. Onofrio war sechs Monate zuvor aus dem Irak heimgekehrt und hatte sofort in Washburns Kanzlei angefragt, ob und wie er bei Evans Verteidigung helfen könne. Als schon etwas älterer Veteran, als Vater von drei Kindern, der seinen Job bei Caltrans und sein Zuhause in Half Moon Bay aufgegeben hatte, um seiner Pflicht nachzukommen, und schließlich als einziger Militärangehöriger, der außer Evan das Feuergefecht in Bagdad überlebt hatte, war er wie kein anderer dazu prädestiniert, den traumatischen Zwischenfall zu schildern, der im Mittelpunkt dieser Verhandlung stand.
    Doch kaum hatte die Protokollführerin den stiernackigen, gutmütig wirkenden Arbeiter vereidigt, stand Mills auf, um Einspruch zu erheben. »Euer Ehren, bereits der letzte Zeuge hat in seiner Aussage zur Zufriedenheit des Volkes bestätigt, dass Mister Scholler an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Wir sind bereit, diesen Punkt einzuräumen, machen aber weiterhin geltend, dass er irrelevant ist. Das
Volk vermag nicht zu erkennen, welche Beweiskraft die Aussage dieses Zeugen für dieses Verfahren haben sollte. Er war zum Zeitpunkt des Mordes nicht einmal in den Vereinigten Staaten, und seine Äußerungen können nicht zur Klärung der Frage nach Schuld oder Unschuld des Angeklagten beitragen.«
    Judge Tollson lehnte sich, die Augen fast geschlossen, in seinem Stuhl zurück und legte den Kopf einen halben Zentimeter auf die Seite. »Mister Washburn?«
    »Euer Ehren, dieser Zeuge ist von grundlegender Bedeutung. Es gibt keine posttraumatische Belastungsstörung ohne ein auslösendes Trauma, und Mister Onofrio war Augenzeuge des Traumas, das Mister Scholler erlebt hat, und der Auswirkungen, die Doctor Overton gerade bestätigt hat. Wir haben nicht einfach einen käuflichen Seelendoktor dafür bezahlt, damit er hier auftritt und einen Zustand erfindet, der durch einen Vorfall ausgelöst wurde, der sich gar nicht ereignet hat. Ohne den Vorfall kann es den Zustand nicht geben.«
    Darauf wurde Washburn eine ganze Weile und gegen alle Vernunft, denn grundsätzlich hatte er ja Recht, von der beängstigend konkreten Befürchtung geplagt, Tollson könnte seinen Zeugen entlassen und die Fragen, die er ihm stellen wollte, unterbinden.
    Außerdem hatte er Zeit, darüber nachzudenken, dass Mills’ Einspruch wenig sinnvoll war. Theoretisch hatte Tollson, indem er diese Vorverhandlung in Abwesenheit der Jury zugelassen hatte, der Staatsanwältin einen Vorteil verschafft - sie bekäme alle Beweise der Verteidigung zu sehen, bevor sie beim Prozess präsentiert wurden. Sie sollte also ein Interesse daran haben, alle Zeugen, die Washburn aufrufen würde,
schon im Voraus zu hören, damit sie zwei Gelegenheiten erhielte, sie auseinanderzunehmen - jetzt und beim eigentlichen Prozess im Beisein der Geschworenen.
    Andererseits, merkte Washburn, lagen wahrscheinlich auch bei ihr die Nerven blank. Und Tatsache blieb weiterhin, dass sich, wenn Tollson sich auf ihre Seite schlug und Onofrio nicht aussagen ließ, dieselben Einwände und Argumente auch gegen seine weiteren Zeugen vorbringen ließen, und dann würde es wirklich kritisch.
    Tollson setzte der Spannung ein Ende. »Miss Whelan-Miille, das ist eine Vorverhandlung. Das heißt, wir hören uns an, was Leute zu sagen haben, bevor der Prozess beginnt. Mister Washburn hat Recht. Die in Aussicht gestellte Aussage dieses Zeugen ist von grundlegender Bedeutung für das Thema Trauma. Dem Einspruch wird nicht stattgegeben. Mister Washburn, Sie können fortfahren.«
    Der Verteidiger, der Mühe hatte, seinen erleichterten Seufzer vor den Anwesenden zu verbergen, ließ in Andeutung einer Verneigung kaum merklich den Kopf nach vorn sinken. »Danke, Euer Ehren.« Er wandte sich dem Zeugen zu. »Also, Mister Onofrio, würden Sie dem Gericht jetzt bitte Ihre Beziehung zu Mister Scholler schildern.«
    »Er war bis zu seiner Verwundung im Sommer 2003 im Irak mein Zugführer.«
    In den nächsten paar Minuten ließ Washburn Onofrio zunächst die Zusammensetzung des Zugs und dessen allgemeine Aufgaben als militärische

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