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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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zurückgelassen hat, sondern in Wirklichkeit ermordet wurde.«
    »Gibt es denn Gründe, dass sie das glaubt?«
    »Soviel Darrel weiß, nicht. Aber was das Ganze so traurig macht, ist, dass ihre Mutter ein paar Monate darauf Selbstmord
begangen hat, und damit will sich das Mädchen einfach nicht abfinden.«
    Treya trank von ihrem Tee. »Und da behaupten die Leute, du wärst nicht gerade wahnsinnig unterhaltsam. Woran das wohl liegt?« Sie wandte sich ihm zu. »Liegt es an dieser aufbauenden, herzerwärmenden Geschichte, dass du plötzlich optimistischer bist, was deinen Job angeht?«
    »An dem Gespräch mit Darrel«, sagte Glitsky.
    »Ah. Der Silberstreifen am Horizont.«
    »Damit will ich nur sagen: Erstens muss man glauben, dass Charlie Bowen ein Mord war, worauf es keinerlei Hinweise gibt. Also, warum sich überhaupt damit befassen?«
    »Charlie Bowen«, murmelte Treya. »Woher kommt mir dieser Name bloß bekannt vor?«
    »Er ist der Vater. Der Vermisste.«
    »Der Anwalt? Jetzt weiß ich, wer das ist, Abe. Er ist dieser Typ, von dem Diz die ganzen Fälle geerbt hat.«
    »Unser Diz?«
    »Unser Diz.« Treya drückte wieder sein Bein. »Vielleicht sollte Darrel mal mit ihm reden.«

31
    Am nächsten Morgen, Freitag, den vierten Mai, fuhren Glitsky und Treya zusammen zur Arbeit. Der Großzügigkeit Clarence Jacksons verdankte Treya einen eigenen Stellplatz hinter dem Gericht, den sie als die möglicherweise größte Vergünstigung ihres Jobs betrachtete.
    Die gestrige Hochdruckfront hatte den Himmel blankgefegt
und die Wolkenschicht fast bis zu den Farallones hinaus verbannt, weshalb die Sonne für die Jahreszeit ungewöhnliche Wärme spendete. Obwohl sich kein Lüftchen regte, hatte eine Laune der Natur vom größten Blumenmarkt der Stadt eine geballte Ladung intensiver Düfte um die Ecke befördert. Treya, die auf der Beifahrerseite ausgestiegen war, schaute ihren Mann über die Motorhaube hinweg an und sagte: »Was für ein herrlicher Tag. Riechst du das? Wenn wir wirklich zu wahrer menschlicher Reife gelangt wären, würden wir heute auf keinen Fall zur Arbeit gehen.«
    »Nicht? Was würden wir stattdessen tun?«
    »Wozu wir gerade Lust haben. Tanzen, singen, die Fähre nach Sausalito nehmen.«
    Glitsky traf vor dem Auto auf sie und nahm sie an der Hand, als sie auf die Hall of Justice zuzugehen begannen. »Wenn wir zu wahrer Reife gelangt wären«, sagte er, »würden wir wahrscheinlich gefeuert. Zum Glück sind wir das aber nicht.«
    »Na, du vielleicht nicht.« Sie blieb stehen, womit sie auch ihn bremste, und sog scharf die Luft ein. »Aber wenigstens gönne ich mir eine Minute extra, um das zu genießen.«
    »Die Rosen riechen, meinst du.«
    »Solltest du auch probieren. Schließ kurz die Augen, schnuppere einfach ein bisschen.«
    Das tat Glitsky. Dann öffnete er die Augen wieder. »Richtig, Rosen. Und noch alles mögliche andere.«

    Als Glitsky die Tür zum Empfang des Morddezernats öffnete, sah er als Erstes Dismas Hardy, der, für die Arbeit in Anzug und Krawatte, auf seine Uhr schaute. »Zwei Minuten zu spät«, sagte Hardy. »Mit so einem Beispiel gehst du deinen Leuten voran?«

    »Treya hat mich aufgehalten«, sagte Glitsky. »Wir sind auf dem Parkplatz stehen geblieben, um die Blumen zu riechen.«
    »Wie waren sie?«
    »Echt klasse. Wie Blumen.« Glitsky grüßte die zwei Mitarbeiter, die an ihren Schreibtischen saßen, dann öffnete er die Klappe in dem Schalter, der das Zimmer teilte, und bedeutete Hardy, ihm zu folgen. Als er die Tür seines Büros öffnete, fragte er Hardy: »Hatten wir einen Termin?«
    »Nein.«
    »Ich dachte schon.«
    »Aber wie du dich vielleicht noch erinnern kannst, hast du mich gestern Abend angerufen. Ich bin leider zu spät nach Hause gekommen, um dich noch zurückzurufen. Es geht um Charlie Bowen?« Hardy zog sich von der Wand einen Stuhl heran und setzte sich.
    Glitsky nahm an seinem Schreibtisch Platz. »Schon die bloße Erwähnung seines Namens lässt dich heute Morgen gleich als Erstes hier antanzen?«
    »Nein, so wild ist es auch wieder nicht. Ich habe hier um zehn eine Verhandlung.« Hardy schlug ein Bein über das andere. »Wirst du mir jetzt etwa erzählen, Sie haben seine Leiche gefunden?«
    »Wie kommst du dazu, das zu sagen?«
    »Na, hör mal. Du bist beim Morddezernat. Du rufst mich wegen eines Kerls an, der vor zehn Monaten vermisst gemeldet wurde. Du kannst mich ja für verrückt erklären, aber mein erster Gedanke war, dass er plötzlich ein Mordfall

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