Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
Notlüge geblieben und ließ es sich so gut wie möglich gehen. Immerhin hatte diese seltsame Beziehung den Vorteil, dass er ordentlich zu essen bekam und keine schwere Arbeiten zu verrichten hatte, Wäsche waschen zum Beispiel oder anderen Elfen die Füße massieren.
»Nun?«, fragte Amalfi. »Das Wanderreich setzt sich bald wieder in Bewegung. Es wird erwartet, dass ich den Befehl zum Aufbruch gebe. Soll ich etwa mit schlechter Laune an die Sprachposaunen gehen? Möchtest du, dass deine Herrscherin unzufrieden klingt und sich das Volk meinetwegen Sorgen macht?«
»Natürlich nicht.« Ruairidh schob das seidene Betttuch beiseite, betrachtete seinen besten Freund und trat in einen stillen Dialog mit ihm. Er erinnerte ihn an andere Frauen, an diese Zoe zum Beispiel, die zwar ein bisschen zu dürr für seinen Geschmack gewesen war, ihn aber mehr gereizt hatte als diese fette Seekuh mit dem Liebreiz eines Holzprügels, eines noch nicht einmal sonderlich attraktiven Holzprügels. Sein bester Freund verstand den Hinweis und rührte sich.
Die Herrscherin des Wanderreichs zog ihn an sich. Ungestüm, mit unheimlicher Kraft, die sehr wohl auf den Einsatz magischer Mittel schließen ließ. Ruairidh gab sich seinem Schicksal hin, und ja, es bereitete ihm in gewisser Weise sogar Freude. Hier gab es etwas, woran er sich festhalten konnte, was nicht nach Biber roch und sich nach Biberfell anfühlte.
Das Bett bebte, Kristall klirrte. Was war los? Wo kam der Lärm her, was geschah?
Amalfi schien nichts zu bemerken. Sie war völlig gefangen von ihrer Lust, wollte ihre Bedürfnisse an ihm austoben, während der Lärmpegel höher und die Erschütterungen größer wurden.
Jemand schrie. Der Eunuch. Sein Körper fiel schwer zu Boden. Für eine Weile war Ruhe, dann pochte jemand oder etwas gegen die Tür zum Schlafzimmer. Dieser Jemand oder dieses Etwas schnaufte und fauchte wie ein wild gewordenes Austrochon, das Verdauungsprobleme hatte und sich in seinem Zorn an unschuldigen kleinen Wildkatzen, wie zum Beispiel einem Rudel Löwen, austoben wollte.
Ruairidh hatte plötzlich eine Ahnung, welche Gefahr ihnen drohte. Er stieß Amalfi beiseite, schlüpfte in seine Hose, sah sich verzweifelt nach einem Fluchtweg um. Warum besaß diese Wohnhöhle kein Bullauge, durch das man entkommen konnte, oder wenigstens eine Falltür? Ein Sturz aus einer Höhe von acht Metern war dem, was im bevorstand, ganz sicher vorzuziehen!
»Komm sofort zurück!«, verlangte Amalfi, die nach wie vor in ihrem Liebesrausch verhangen war. »Andernfalls ...«
Holz zerbarst, Splitter schossen kreuz und quer durch den Raum. Eine grässliche Gestalt trat ins Schlafzimmer und stellte sich breitbeinig hin. Es stank nach Tier und nach Schwefel. Das Monster stieß einen schrillen Schrei aus. Den eines Biberweibchens, das seine Konkurrentin mit aller Macht aus dem Bau verdrängen wollte.
»Gloria, meine Süße, das ist alles ein Missverständnis ...«
»Ein Missverständnis?!« Das Gesicht seiner Reisepartnerin, seiner Diebesgenossin, verzog sich zu einer hässlichen Fratze. »Du hast mich im Glauben gelassen, dass Amalfi ein Mann sei! Du hast mir vorgelogen, dass du Botendienste verrichten müsstest – und du hast mich dazu gebracht, deine hässlichen, teigigen Füße zu massieren! Das verzeihe ich dir nie!«
»Du verdirbst uns alles, Gloria.« Ruairidh wich zurück, Schritt für Schritt, sah sich verzweifelt nach Schutz um. »Ich hätte dich schon noch eingeweiht und einen wesentlich besseren Arbeitsplatz im Wanderreich für dich besorgt. Glaub mir!«
Sie kam auf ihn zugeschossen. Packte ihn, zog ihn am Hosenbund hoch zu sich, fauchte ihn an. Schüttelte ihn durch, sodass ihm Hören und Sehen verging. Ließ ihn dann wieder fallen.
»Du Schlampe!«, zischte sie in Amalfis Richtung, die nach wie vor völlig verdutzt in ihrem Bett saß und nicht wusste, wie ihr geschah. »Wir kündigen.« Gloria sah sich um, erhaschte Blicke auf einen schweren Topf, auf den auch Ruairidh bereits ein Auge geworfen hatte, zerbrach ihn und schaufelte zwei Handvoll Goldstücke in ihre Hände. »Das ist wohl der gebührende Lohn für die ... die ... Botendienste dieses Schweins. Den behalte ich ein.«
Amalfi sagte kein Wort. Ruairidh sah ihr an, dass es in ihrem Kopf allmählich wieder zu arbeiten begann. Sie sann nach Auswegen aus ihrer misslichen Lage, nach magischen Sprüchen, mit deren Hilfe sie der Biber-Elfe rasch Herr werden konnte.
»Weg hier!«, sagte Ruairidh. »Schnell!«
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