Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
Er tastete zwischen die Scherben und nahm weitere Münzen an sich. Er hatte härter gearbeitet, als Gloria dachte, und es stand ihm eine ausreichende Entlohnung zu.
Seine Begleiterin zog ihn fauchend und schnaubend auf ihren Rücken, zuckte mit dem Gefieder auf ihrem Rücken und verließ dann mit eiligen Schritten das Schlafgemach. Es schüttelte Ruairidh gehörig durch, bevor sie den Weg zurück zur Hängeleiter fanden, vorbei an bewusstlosen Palastwächtern und einem Fleischbrocken, der einst der Eunuch gewesen sein mochte. Gloria hatte in die Vollen gegriffen.
Ruairidh musste mit einem Mal daran denken, wie sie mit ihm umgehen würde, sobald ihre Flucht gelungen war. Sofern ihre Flucht gelingen würde, denn schon war der Hall eines Gongs zu hören, schon erklang das Klappern und Scheppern von Uniformteilen.
Gloria nahm sich nicht die Zeit, die Leiter hinabzuklettern. Sie stieß sich ab, ließ sich in die Tiefe fallen und breitete ihre Flügel weit aus. Sie stöhnte. War wohl erschöpft angesichts der ungewohnt schweren Arbeit, die sie während der letzten Tage geleistet hatte. Schaffte es aber dann doch, den Absturz zu verhindern und allmählich an Höhe zu gewinnen.
Unter ihnen breitete sich eine Felslandschaft aus, die nur da und dort von grünen Tupfen unterbrochen wurde. Bewaffnete pumpten an einer einsam dastehenden Zisterne Wasser aus der Tiefe und verteilten es an Wartende. Sie starrten hoch zu ihnen, verwundert oder verängstigt – Ruairidh wusste es nicht.
Er drehte sich um. Im Wanderreich herrschte wüstes Durcheinander, Soldaten liefen wie aufgescheuchte Hühner hin und her. In der Einstiegsluke des Palastes stand eine entrüstete Amalfi, die Anweisungen brüllte. Ruairidh meinte, ihre Stimme zu vernehmen, auch wenn er kein Wort verstand. Da waren Reittiere, die er niemals zuvor gesehen hatte. Sie ähnelten Ratten mit Schweineschnauzen und hatten dünne Hühnerbeine mit drei oder mehr Gelenken, die in rasendem Takt Spuren durch den Sand zogen. Soldaten schwangen sich auf die Tiere und deuteten aufgeregt in Glorias Richtung, bevor sie sich in Bewegung setzten.
»Wir werden verfolgt!«, rief er gegen den Wind.
»Ich weiß«, antwortete sie zwischen zwei Flügelschlägen. »Vielleicht sollte ich dich abwerfen und zurücklassen? Vielleicht hat Amalfi noch eine Verwendung für dich?« Nach einer Weile ergänzte sie: »Ich frage mich ohnedies, warum ich dich mitgenommen habe.«
Ruairidh dachte lange nach, bevor er antwortete. Er musste die richtigen Worte finden. Er wusste nur zu gut, welchen Stimmungsschwankungen Gloria unterlag. Sie würde ihn ohne Weiteres von ihrem Rücken schleudern, wenn ihr danach war. »Denk dran, dass ich das Du-weißt-schon-was bei mir trage. Das Ding, das wir aus dem Palast der Crain gestohlen haben und wegen dem wir all diese Mühen auf uns nehmen. Möchtest du es gemeinsam mit mir abwerfen?«
»Manchmal denke ich mir, dass das die beste und einfachste Lösung wäre.« Gloria schüttelte sich.
Ruairidh hatte alle Mühe, sich festzuhalten.
Ein kleiner Gebirgszug tauchte vor ihnen auf, mehr eine Ansammlung weniger Hügel, die wie Warzen aus der Ebene hochragten, denn wirkliche Berge. Glorias Federn spielten mit den kühlen Aufwinden, sie glitt sachte darüber hinweg. Die Verfolger hingegen, die eben auf ihren seltsamen Tieren losritten, würden bei der Querung des Bergkamms einige Zeit verlieren.
Gloria ächzte ständig; sie hatte Mühe, die Höhe zu halten. Doch sie flog weiter, mit jener Ausdauer und Zähigkeit, die er an ihr stets bewundert hatte. Die Zwangsmästung, die sie beide im Reich der Gog/Magog hatten hinnehmen müssen, wirkte nach. Doch sie kämpfte gegen die Spätfolgen an, gegen Schwindelanfälle und Ermüdungserscheinungen.
»Wohin jetzt?«, fragte Ruairidh, der nach langer Zeit wieder einmal die Stimme des Du-weißt-schon-was unangenehm drängend spürte.
»Keine Ahnung. Einfach weg von deinem übergewichtigen Liebchen. Und bete, dass ich noch etwas länger durchhalte. Andernfalls ...«
Tja. Dieses »Andernfalls« deutete auf eine Horde erzürnter Reiter hin, die ihnen auf den Fersen waren – und das auf Tieren, die ein beeindruckendes Tempo einschlugen.
»Wir könnten uns den Dolch zurückholen. Richtung Norden.«
»Was du dauernd mit diesem Dolch Girne hast ... Ich weiß, dass er sich gut anfühlte und dass er etwas Besonderes war. Aber er ist weit weg, und wir würden wieder mal alles riskieren, wenn wir Richtung Olymp flögen.« Sie deutete in
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