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Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Schattenlord 6 - Der gläserne Turm

Titel: Schattenlord 6 - Der gläserne Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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sich vorbeiziehen. Zu Fokke war er freundlich, sogar ein wenig unterwürfig. Er wollte den Eindruck vermitteln, dass er eine dieser Seelen war, die versuchten, einen Vorteil aus ihrer neuen Existenz zu schlagen. Bislang hatte Fokke noch nicht von ihm gezehrt, vielleicht funktionierte es also.
    In den Nächten, wenn es an Deck nichts zu sehen gab, brachte Andreas sich Schach bei. Er kannte die Regeln, doch die Strategien verschlossen sich ihm noch. Er fand ein Brett in der Offiziersmesse und entdeckte, dass er die Figuren bewegen konnte, wenn er sich auf sie konzentrierte.
    An seinen Verrat versuchte er nicht zu denken, nur an die Rache, die er eines Tages nehmen würde. Doch die Stadt kam unaufhörlich näher und damit der Tag, an dem er sich den Konsequenzen seiner Taten stellen musste.
    Die Gegenden, über die sie flogen, überraschten Andreas immer wieder. Er sah ein kreisrundes Tal, in dem es keine Vegetation gab und keine Erde, nur nackten glatten Stein. Die Matrosen mussten die Segel einholen, weil eine Windböe plötzlich in sie fuhr und den Seelenfänger scheinbar spielerisch von einer Seite zur anderen warf. Die Männer fluchten, aber gefährlich war das nicht.
    Wenig später tauchte ein Wald vor ihnen auf. Er war größtenteils zerstört. Überall lagen umgeknickte und auseinandergerissene Bäume. Es sah aus, als habe ein Riese den Wald mit seinen Fäusten zertrümmert. Mittendrin schlugen eine Tanne und eine Kastanie mit ihren Ästen aufeinander ein.
    »So was habe ich ja noch nie gesehen«, sagte Patto, der Maat, und spuckte Kautabak über die Reling. Wenn er spürte, dass Andreas neben ihm stand, dann zeigte er es nicht. »Verrücktes Land.«
    In der darauffolgenden Nacht rumpelte und krachte es tief unter dem Seelenfänger. Die Geräusche waren so laut, dass Kramp Alarm gab und die Matrosen aus ihren Hängematten scheuchte, weil er einen Angriff befürchtete.
    Jemand schrie von unten: »Kommt her! Versucht’s doch! Wir wissen, dass ihr da seid!«
    Eine andere Stimme fügte hinzu: »Wartet nicht bis zum Morgen!«
    Die Männer beugten sich über die Reling und warfen Fackeln nach unten, doch in der Dunkelheit sahen sie nur einige große Felsen.
    Und dann war es so weit.
    Andreas sah sie nicht als Erster, dafür war seine Sicht in die reale Welt zu schlecht, doch als er hörte, wie der Ausguck im Krähennest meldete, dass eine Stadt vor ihnen lag, sprang er auf die Reling und starrte nach vorn.
    Sie flogen über eine flache, öde Wüste, die von hohen Bergen eingerahmt wurde. Die Luft flimmerte und erschwerte Andreas zusätzlich die Sicht, doch er glaubte inmitten der Wüste funkelnde, glitzernde Gebäude zu sehen, die wie eine Fata Morgana über der Landschaft hingen. Selbst verschwommen und grau war die Stadt das Schönste, was Andreas in seinem ganzen Leben gesehen hatte. Trotzdem hasste er ihren Anblick fast so sehr, wie er sich selbst hasste.
    »Du hast also wirklich nicht gelogen«, sagte Kramp. Wie aus dem Nichts war er neben Andreas aufgetaucht. »Der Käpt’n hat mir befohlen, ein Auge auf dich zu haben, während wir uns hier ein bisschen vergnügen. Nur, damit es keine Missverständnisse gibt.«
    »Die wird es nicht geben. Ich weiß, wohin ich gehöre.«
    Kramp musterte ihn. »Das kann man auffassen, wie man will.«
    Bevor Andreas antworten konnte, drehte der Steuermann sich um und zog sein Schwert aus der Scheide an seinem Gürtel. Vor ihm auf dem Deck hatten die Offiziere bereits damit begonnen, Waffen an die Mannschaft auszugeben.
    »Geschützluken auf! Waffen in die Hand!«, rief Kramp. »Und stecht euch nicht gegenseitig ab, ihr Makrelen. Wir greifen an!«
    Die Männer lachten und johlten. Die schlechte Stimmung war vergessen.
    Andreas spürte, dass Kramps Blick auf ihm ruhte, und zwang sich zu einem Lächeln.
    »Mast- und Schotbruch«, sagte er. Beinahe wäre er an den Worten erstickt.
    Kramp grinste.

36
    Feinde aus
    der Luft
     
    K e-Amarihye kämpfte.
    Mit einem Schlag war ihr die Kontrolle über die Melodie entglitten. Wie ein wildes Tier, das nach langer Zeit endlich seine Ketten gesprengt hatte, wüteten die Töne in der Stadt. Ke-Amarihye wusste nicht, was geschehen war, nur dass es einzig und allein in ihrer Macht lag, die Stadt zu retten. Und dazu musste sie die Töne wieder an die Kette legen.
    Sie hörte, wie ihre Dienerinnen miteinander stritten, kümmerte sich jedoch nicht darum. Sie wusste, dass sie sich um ihre Sicherheit keine Sorgen machen musste. So wütend die Mädchen

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