Schauen sie sich mal diese Sauerei an
mich der Lust vollkommen unkontrolliert hinzugeben. Hein machte unserem Patienten auf seine Weise Mut: »Jetzt aber ab in die nächste Urologie, da müssen sechs, sieben Nadeln rein, Druckentlastung, das Blut muss da raus, sonst geht das Gewebe kaputt und das Ding fault ab.« Mit Blaulicht und Martinshorn fuhren wir ins Krankenhaus. Nur der Vollständigkeit halber: Am Ende blieb die Manneskraft des jungen Mannes erhalten. Mein persönliches Highlight der Sexunfälle geht nah an die Grenzen der Vorstellungskraft. Ich kannte unseren Patienten, ich hatte ihn nämlich schon mehrmals amüsiert beobachtet. Sie werden es nicht glauben, und eigentlich geht es Sie auch gar nichts an, aber ich bin ein großer Freund klassischer Musik und besitze seit Jahren ein Abo unseres örtlichen Konzerthauses. In einem Zyklus über sechs Konzerte zum Thema »Ravel - Bolero mit einem Unbekannten« war mir ein weiterer Stammgast wieder einmal aufgefallen. Er wirkte wie ein typischer Bankangestellter: Um die fünfzig, Brille, Seitenscheitel und in einen billigen C&A-Anzug gepresst, saß der Typ stets in der zweiten Reihe. Unaufhörlich wippte er im Takt, nickte wohlwollend, als ob die Fortführung des Konzertes seiner körperlich dargestellten Zustimmung bedürfte. Das Kassengestell der Brille, von dicken, speckigen Ohren getragen, rutschte dabei immer weiter zur Nasenspitze, nur um jedes Mal kurz vor dem Absturz durch eine heftige Kopfbewegung zurück zur Nasenwurzel geschleudert zu werden. In den Pausen trank der Kerl nur stilles Wasser ohne Eiswürfel, aber mit Strohhalm. Zum Konzertende verließ er prinzipiell als Erster seinen Platz, die Applausordnung ignorierend, um nicht zwei Minuten an der Garderobe warten zu müssen. Es dauerte nur eine Woche, bis ich unseren Biedermann beruflich bedingt wiedersah. Mir ging es gut, ihm ging es dreckig. Sie fragen warum? Das kann ich Ihnen erklären. Verbrennungen der Harnröhre, verursacht durch Stromstöße, sind nun mal eine schmerzhafte Sache. »Ja, wie kommt man denn zu solch einer Verletzung?«, werden Sie berechtigterweise fragen. »Bestimmt an einen Weidezaun gepisst!«, mutmaßen Sie? Nein, ich muss Sie enttäuschen, es war schon etwas mehr Kreativität im Spiel. Unser Ganzkörperdirigent hatte sich die gute alte Perlenschnur des Wannenstöpsels in die Harnröhre eingeführt. Nur um Ihrer Frage zuvorzukommen: Doch, das geht! Anschließend wurde der Trafo der Modelleisenbahn an das Ende der Perlenschnur angeschlossen, um sich gemeinsam mit den Herren Watt, Ohm und Volt hemmungslos der sexuellen Erregung hinzugeben. Reizstrom ist keine Erektionshilfe! Mit Strom spielt man nicht! Vor Nachahmung des hier Gelesenen rate ich dringend ab! Der Mensch ist ein komisches Tier, oder haben Sie schon mal von einem Schwein gehört, das mit Modelleisenbahnen masturbiert?
2. Verzerrte Eigenwahrnehmung
Jupp
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Nach einer Weile braucht er einen Drink. Woody Allen
A larmfahrten werden irgendwann zur Routine, ja fast langweilig. Hat man im Zivildienst noch vor Glück gesabbert, wenn man mit Blaulicht und akustischer Warneinrichtung eine rote Ampel überfahren hat, so stellt sich doch irgendwann Gewohnheit ein. Auch Sie als Leser sollen nicht mehr als nötig mit der Beschreibung von Alarmfahrten gelangweilt werden. Natürlich versaue ich mir als Autor hiermit eine geschmeidige Einleitung in die Geschichte, indem ich alle Liebhaber von Alarmfahrtenbeschreibungen enttäusche, aber so unterhaltsam die Paragrafen 35 und 38 der StVO auch sein mögen, lassen Sie sich von mir direkt an den Ort des Geschehens entführen. Wir treffen uns an einem regnerischen Novemberabend gegen 17:45 Uhr in der schönen Einraumkneipe Zum Blasierten. Blut tropft langsam, aber stetig auf den Boden. Tropfrate circa 120/Minute. Kennen Sie den Begriff »Tropfrate«? So sachlich und doch so völlig bescheuert. Tropfrate 120/Minute, darunter kann man sich ja noch etwas vorstellen. Aber was ist mit der Tropfrate 7500/Minute? Entspricht das dem Morgenurinstrahl einer jung gebliebenen 82-jährigen Bodenturnerin mit Blasenschwäche, oder ist damit vielmehr der Ölverlust nach dem Platzen eines Hydraulikschlauches an einem handelsüblichen Schaufelradbagger passend beschrieben? Man weiß es nicht - ich lade Sie ein, vielleicht bestimmen Sie mal Ihre eigenen Tropfraten. Wenn man aufmerksam durchs Leben geht, bieten sich da einige Möglichkeiten ... Doch zurück zu unserer Kneipengeschichte. Tropfrate
Weitere Kostenlose Bücher