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Schenk mir mehr als diese Nacht

Schenk mir mehr als diese Nacht

Titel: Schenk mir mehr als diese Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ABBY GREEN
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geradezu verbissenen Solidarität der Geschwister untereinander. Und darüber, dass er sich trotzdem nie wirklich dazugehörig gefühlt hatte.
    Fast emotionslos schilderte er, wie William Wolfe seine einzige Tochter wegen einer Nichtigkeit ausgepeitscht hatte und ums Leben kam, als er deswegen mit seinem ältesten Sohn aneinandergeriet. Und dass Jacob sich anschließend um seine Geschwister kümmerte, bis er eines Tages ohne Vorankündigung verschwand …
    Nach einer langen Pause löste er sich sanft von Aneesa und wandte sich ihr zu. „Warum bist du hier? Warum hörst du dir das alles an?“
    Sie zuckte mit den Schultern. „Weil du es irgendjemandem erzählen musstest. Weil du der Vater meines Kindes bist und …“
    Fast wäre es ihr herausgerutscht: Und weil ich dich liebe!
    „Weil du für mich da warst, als ich jemanden brauchte“, fuhr sie fort.
    Er lachte rau. „Ja, aber anstatt dir zuzuhören und dich deinen eigenen Weg gehen zu lassen, habe ich dich verführt.“
    Rasch griff Aneesa nach seiner Hand und presste einen spontanen Kuss in die warme Innenfläche. „Und du glaubst nicht, wie froh ich darüber bin!“, versicherte sie impulsiv.
    Darauf ging Sebastian nicht ein. Sein Gesicht war schon wieder ernst und angespannt. „Ich kann nicht da runtergehen und ihm entgegentreten!“, stieß er hervor. „Ich könnte ihn umbringen! Ich weiß nicht, ob ich je in meinem Leben so wütend gewesen bin.“ Mit harten Bewegungen ging er zur Bar und schenkte sich einen Whisky ein.
    „Es ist ja nicht nur Jacob, der dort unten ist“, versuchte Aneesa noch einmal ihr Glück. „Was ist mit Nathaniel, seiner frischgebackenen Ehefrau und deinen anderen Geschwistern? Sie waren alle glücklich, dich zu sehen.“
    „Ja, schon“, murrte er wie ein trotziges Kind. „Aber mir geht es allein um ihn! Verdammt! Ich will ihm einfach nicht die Absolution erteilen, auf die er so offensichtlich aus ist. Dafür ist es zu spät!“
    „Gut“, sagte Aneesa im gleichen Ton und baute sich vor Sebastian auf, der sich ein zweites Glas Whisky einschenkte. „Also, was hast du vor? Jacob nie wieder unter die Augen zu treten? Ihm dein Leben lang aus dem Weg zu gehen? Nicht gerade eine erwachsene Reaktion, oder?“
    Nie zuvor hatte er einen derart bestimmten, fast sarkastischen Ton von ihr gehört. Sebastian war so verblüfft, dass er Aneesa nur anstarrte.
    „Ich weiß, er hat dich sehr verletzt“, fuhr sie mit völlig veränderter Stimme fort. „Aber niemand ist perfekt, ich am wenigsten von allen. Schau dir doch an, was für ein Desaster ich aus meinem scheinbar so glücklichen Leben gemacht habe. Nichts als Kummer und Schande habe ich über meine Familie gebracht, und trotzdem lieben sie mich und halten zu mir. Keine Frage, der Horror, den du innerhalb deiner Familie erleben musstest, ist kaum fassbar. Aber nach allem, was du mir bisher erzählt hast, wundert es mich, dass Jacob nicht schon viel früher gegangen ist. Ich finde, er hat sich euch gegenüber durchaus verantwortlich gezeigt.“
    Sebastian lachte bitter auf. „So sehr, dass er uns einfach den Rücken gekehrt und uns der Fürsorge irgendwelcher Haushälterinnen und Internate überlassen hat!“
    „Ehrlich gesagt seid ihr dafür alle ziemlich gut geraten, soweit ich das bis jetzt beurteilen kann“, gab Aneesa zu bedenken, biss sich aber im nächsten Moment auf die Lippe. „Hör zu, Sebastian, bei allem Verständnis für das, was du durchmachen musstest … glaubst du nicht, es ist langsam an der Zeit, dass du mal versuchst, dich in Jacobs Lage zu versetzen? Unfall oder nicht, er war verantwortlich für den Tod eures Vaters. Vielleicht hatte er auch geheime Ängste, so zu werden wie er und euch damit nur noch mehr Kummer und Leid zuzufügen. Er war damals doch selbst gerade mal halbwüchsig und hat versucht, eine Verantwortung zu übernehmen, an der beide Elternteile aus unterschiedlichen Gründen bereits gescheitert waren.“
    Es fühlte sich an, als würde ihm bei lebendigem Leib die Haut abgezogen. Aneesa kam seinem Horror viel zu nah, vielleicht doch das unberechenbare Temperament und die gestörte Persönlichkeit seines Vaters geerbt zu haben.
    „Du hat ganz vergessen, deinen Doktorgrad in Tiefenpsychologie zu erwähnen, den du offensichtlich zwischen deinen Bollywoodschinken zustande gebracht hast!“
    Seine Stimme troff vor Sarkasmus, und sobald die Worte heraus waren, hätte er alles darum gegeben, sie zurücknehmen zu können. Doch es war zu spät. Er sah,

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