1443 - Die Hölle stirbt nie
Der Himmel war wieder blank. Märchenhaft klar. Kein Sturm, keine Wolken, kaum Wind, sogar die Temperatur war gestiegen, und die Sonnenstrahlen ließen das Wasser glänzen wie flüssiges Metall.
Es war ein Bilderbuchmorgen, den Lynn Haskin und Travis Beck nutzen wollten. Ihre Beziehung musste in die richtigen Bahnen gebracht werden, denn in letzter Zeit hatte sich das Paar entfremdet.
Jetzt sollte eine Aussprache helfen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Lynn und Travis wollten in Ruhe miteinander reden, und so hatten sie sich für einen Spaziergang am Strand entschlossen.
Ihr Auto stand weiter oben, wo die Dünenstraße endete und in einen kleinen Parkplatz auslief. Im Sommer war er stets überfüllt, doch zu dieser Jahreszeit tat sich da nichts, obwohl der Sturm vorbei war.
Beide arbeiteten in der IT-Branche. Sie kannten sich seit drei Jahren. Sie waren damals aufeinander geflogen, aber sie hatten sich nie entscheiden können, zusammenzuziehen. Sie lebten in getrennten Wohnungen und waren sich eigentlich fremd, was das normale Alltagsleben anging.
Beide hatten schließlich festgestellt, dass es so nicht weitergehen konnte. Die Beziehung war zu oberflächlich geblieben, aber auch das konnte man als eine Folge dieser Zeit ansehen. Das war einfach so. Nur keine Störungen. Wenn Beziehungen, dann light, ohne Probleme. So musste das laufen.
Es gab viele dieser Paare, aber irgendwann war damit Schluss. Das Alter von dreißig Jahren konnte man als eine magische Grenze bezeichnen. Wer dann nicht fest im Sattel hockte, der bekam ein schlechtes Gewissen oder den ersten leichten Anfall von Alterspanik.
So war es bei Lynn gewesen. Ihren Geburtstag hatte sie noch gefeiert, doch in der Nacht nach der Feier hatte es bei ihr so etwas wie einen seelischen Zusammenbruch gegeben.
Alles war auf sie eingestürmt. Die Vergangenheit war so schnell verflogen, die Zukunft sah nicht hell und strahlend aus, und der Job konnte die Wärme einer Partnerschaft nicht ersetzen.
Sie hatte einen Partner. Travis Beck war drei Jahre älter als sie, aber er sah die Dinge, die sie beschäftigten, nicht von der gleichen Warte. Männer tickten eben anders. Wenn sie versucht hatte, ihn darauf anzusprechen, hatte er immer gesagt, dass es noch Zeit genug wäre.
Und das war ihrer Meinung nach nicht so. Für Lynn war die Zeit sogar abgelaufen. Es musste endlich mal etwas verändert werden, sonst lief alles verkehrt.
Sie schlenderten durch den Sand. Dunkle Brillen bedeckten die Augen und schützten gegen die tief stehende Wintersonne. Ihre Füße wirbelten den Sand auf, und der Wind spielte mit ihren offen stehenden Lammfelljacken. Sie hatten sich Schals umgebunden, und Lynn schützte ihre dunkelblonden Haare mit einer Strickmütze.
»Wir müssen uns entscheiden, Travis, das ist vorrangig. Es kann nicht so weitergehen mit uns.«
»Tja…«
»Mehr sagst du nicht?«
Travis blieb stehen. Er wandte sein Gesicht dem Meer zu, als wollte er den Anblick der rollenden Wellen genießen. »Was soll ich sagen, Lynn? Männer denken anders als Frauen.«
Sie staunte ihn an und stellte sich dabei vor ihn. »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
»Nein, natürlich nicht…«
»Dann sag doch was, Travis!«
»Mich stört es nicht.«
»Aha. Du würdest also so weitermachen und dich um nichts kümmern. Sehe ich das richtig?«
Er legte den Kopf zurück und lachte, weil ihn die letzte Bemerkung erstaunt hatte. »Um was hätte ich mich denn kümmern sollen, Lynn?«
»Um unsere Beziehung.«
»Ist die nicht in Ordnung?«
»Ach…«
Er ließ seine Freundin nicht weiterreden. »Für mich schon, Lynn. Ja, für mich ist sie in Ordnung. Wir wohnen zwar nicht zusammen, aber wir unternehmen vieles gemeinsam. Wir treffen uns mit den Freunden an den Wochenenden, wir haben immer Spaß, Action und…«
»Ja, ja, ja!« Diesmal unterbrach Lynn ihn. »Das stimmt ja alles. Action und Freunde treffen. Es ist alles wunderbar, und ich habe auch nichts dagegen, aber die Wochen kommen und vergehen so verdammt schnell. Schon sind die nächsten Treffen angesagt. Die Clique feiert, aber die Clique ist auch verdammt oberflächlich. Jeder hat seinen Job, das Leben verläuft für unsere Freunde gut, nur ist das nicht alles, denn wir werden auch älter, und irgendwann muss eine Beziehung mehr bedeuten als Action und Spaß.«
»Wie meinst du das?«
Lynn verdrehte die Augen. »Dass wir unsere Beziehung festigen. Dass wir nicht mehr getrennt leben. Dass wir auch unsere
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