Scherbenparadies
Auf einer alten Zeitung lagen zwei Bananen mit brauner Schale und drei überreife Tomaten. »Hallo Sandra.« Petra wuchtete eine Kiste auf die Sackkarre. »Wie geht’s?«
Sandra zuckte die Schultern. »Geht so.« Ihr Blick blieb an der Zeitung hängen. Diese Bananen konnte man sicher noch essen und auch die Tomaten sahen noch gut aus.
»Ist Laura krank? Ich habe sie bestimmt schon seit einer Woche nicht gesehen.«
»Nee. Ist alles in Ordnung.«
Petra schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Sag ihr einen schönen Gruß von mir und sie soll sich mal wieder melden.«
Sandra nickte und starrte noch immer auf die Bananen.
»Tust du mir einen Gefallen?«
»Klar.«
Petra klappte die Zeitung von rechts und links und oben und unten über das aussortierte Obst und Gemüse. »Wirfst du das in den Müllcontainer dahinten?« Sie wies in die Ecke neben dem Ausgang.
Sandra nahm das Päckchen entgegen. »Mach ich.« Ganz sicher nicht, fügte sie in Gedanken hinzu. Das Zeug sah zwar nicht mehr aus wie auf einem Reklamefoto, aber man konnte es hundertpro noch essen.
Als sie heimkam, war Vanessa schon von Ayshe zurück und fragte, was es zu essen gab.
Sandra bereitete die Suppe nach der Anweisung zu, die auf der Packung stand. Wasser draufkippen, kochen lassen, fertig. Dazu gab es getoastetes Brot und als Nachspeise eine Banane für jede. Vom Toast war noch reichlich da. Das reichte fürs Frühstück und für Vanessas Schulbrot.
»Darf ich noch Nemo gucken? Ayshe hat mir den Film geliehen.« Vanessa hielt Sandra die DVD unter die Nase.
»Okay. Aber nicht ganz. Es ist bald Zeit, ins Bett zu gehen. Heute eine Hälfte und morgen den Rest.«
»Menno!« Vanessa stampfte mit dem Fuß auf. »Du bist gemein. Ayshe muss nie so früh ins Bett. Wenn Mama hier wäre, dürfte ich ganz lange aufbleiben.« Der Ärger verschwand aus Vanessas Gesicht. Nachdenklich runzelte sie die Stirn. »Wann kommt Mama wieder?«
»Bald.«
»Hat sie den Ulf lieber als uns?« Vanessas Augen begannen zu glänzen, während sie die Lippen zusammenschob, bis sie zu einem hellen schmalen Strich geworden waren.
Es gab Sandra einen Stich mitten ins Herz. Sie ging in die Hocke, zog ihre kleine Schwester an sich und wuschelte ihr durch die blonden Locken. »Wie kommst du denn darauf? So eine süße Maus wie dich muss man doch einfach am allerliebsten haben!« Sie gab ihr einen Kuss auf die Wange und entlockte damit Vanessa ein Lächeln, das ihre Zahnlücken zeigte.
»Ich bin doch keine Maus. Eher ein Kätzchen.« Kichernd schlang sie Sandra die Arme um den Hals.
Sandra zog die Nase kraus. Ein kaum wahrnehmbarer säuerlicher Geruch ging von Vanessa aus. Es war höchste Zeit, sie mal wieder unter die Dusche zu stecken. Aber Seife und Duschgel waren alle. Nur Shampoo war noch da. »Wenn du jetzt duschst und dich schnell bettfein machst, dann kannst du bis neun Uhr Nemo gucken. Okay?«
»Okay!« Strahlend verschwand Vanessa im Bad, während Sandra versuchte, die Küche irgendwie aufzuräumen. Zwei weitere Teller und ein Topf landeten auf dem Stapel schmutzigen Geschirrs. Krümel lagen auf dem Boden, doch der Staubsauger war kaputt und einen Besen gab es in diesem Haushalt nicht. Der Herd war verdreckt und der Mülleimer quoll über. Wenigstens das ließ sich ändern. Sandra sagte Vanessa Bescheid und brachte die Mülltüte runter. Als sie zurück war, wusch sie ihrer Schwester die Haare, sorgte dafür, dass sie ein frisches Nachthemd anzog und stopfte das getragene in den Wäschekorb. Er war randvoll. Bei seinem Anblick schlug eine Welle der Kraftlosigkeit über Sandra zusammen. Um Wäsche zu waschen, musste man sich unten in den Gemeinschaftsräumen in einer Liste eintragen und beim Hausmeister Münzen für die Waschautomaten kaufen. Warum hatte Laura das vor zwei Wochen nicht getan? Blieb das nun auch noch an ihr hängen? Sollte sie sich nicht nur um Vanessa kümmern, sondern auch noch den ganzen Haushalt auf die Reihe kriegen? Wie sollte sie das schaffen? Was dachte Laura sich? Sandra setzte sich auf den WC-Deckel, stützte den Kopf in die Hände und starrte auf den Fliesenboden. Warum rief ihre Mutter nicht an?
»Machst du mir den Fernseher an?«, rief Vanessa.
Sandra ging ins Wohnzimmer, startete den DVD-Player und legte den Film ein. Dann ging sie in ihr Zimmer, griff nach dem Reclamheft, das noch auf dem Bett lag, und vertiefte sich in die Welt Hauke Haiens, des Deichgrafen und Schimmelreiters. Sie bekam Gänsehaut, als sie las, dass das
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