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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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irgendetwas mahnte ihn, ihr nichts von diesem letzten Bild zu sagen.
    »Ich hatte heute Nacht einen seltsamen Traum. Sagt, Jungfer Brida, war eine Frau unter den Toten, die das Meer zurückgab?«
    »Eine Frau?« Sie starrte ihn verblüfft an. »Nein, es waren acht Seeleute. Keiner von ihnen zeigte äußere Verletzungen. Sie sind vermutlich allesamt ertrunken.«
    Er nickte schwach.
    »Was habt Ihr geträumt?«
    »Wirres Zeug«, wich er aus. »Ich war wieder im Wasser, hielt mich an einer Planke fest. Plötzlich war die Planke verschwunden, und ich hielt stattdessen eine leblose Frau in den Armen, versuchte sie zu retten. Dann war sie fort, und ich lag wieder auf der Planke.«
    »Habt Ihr sie erkannt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Vermutlich klammere ich mich an die absurdesten Hirngespinste, um etwas über mich selbst zu erfahren.«
    Sie drang nicht weiter in ihn, und dafür war er ihr dankbar.
    Am frühen Nachmittag kam Marieke wieder, ein Bündel Kleidungsstücke und ein Paar Stiefel vor der Brust.
    »Ich habe mich um Eure Sachen gekümmert«, sagte sie. »Die Stiefel sind trocken und gefettet.« Sie ließ sie vor dem Bett zu Boden fallen und legte die Wäsche auf den Schemel.
    »Vielen Dank.«
    »Gern geschehen. Ich habe auch versucht, das Hemd zu flicken, aber ich fürchte, viel macht’s nicht mehr her. Das Blut ist nicht ganz rausgegangen.« Sie nahm es vom Stapel, faltete es auf und zeigte es ihm. Der weiße Stoff sah sauber aus. An der Brust war eine Stelle geflickt, genau dort, wo ihn der Schwerthieb getroffen hatte, und ringsum waren einige kaum sichtbare gelbliche Ränder geblieben, die sich jedem noch so hartnäckigen Schrubben entzogen hatten.
    »Danke, Marieke, das ist tadellos. Du bist eine wahre Perle.«
    »Nu aber nicht übertreiben!« Sie zwinkerte ihm zu und legte das Hemd zurück auf den Stapel. »Wenn Ihr später Hilfe beim Ankleiden braucht, ruft nur.«
    Nachdem sie die Kammer verlassen hatte, richtete er sich auf. In der Nacht war es unmöglich gewesen, auch nur einen Atemzug lang auf den eigenen Füßen zu stehen. Wie mochte es jetzt sein?
    Er schwang die Beine aus dem Bett. Der Dielenboden kam ihm immer noch erstaunlich warm vor unter den nackten Sohlen. Vorsichtig verstärkte er den Druck seiner Füße. Kein Schmerz. Ein Ruck, dann stand er. Wackelig, aber immerhin. Zwei Schritte bis zu dem Tischchen mit der Waschschüssel. Mühelos. Er griff nach seiner Kleidung und zog sich an. Seltsam, dass er es heute zum ersten Mal so bewusst tat, als wäre ihm jede der bekannten Bewegungen neu. Zuletzt zwängte er sich in die Stiefel. Zwar war er immer noch nicht ganz sicher auf den Beinen, aber um sich ein wenig im Haus umzusehen, würde es schon reichen.
    Von seiner Kammer aus trat er in eine schmale Diele. Am hinteren Ende entdeckte er eine ebenso schmale Treppe, die nach oben führte. Links und rechts gingen weitere Räumlichkeiten ab, doch die Türen waren geschlossen. Nur eine stand offen. Die zur Küche, die sich unmittelbar neben der Eingangstür befand.
    »Na, da schau her!« Marieke trat aus der Küche und musterte ihn mit in die Hüften gestemmten Händen. »Da bringt man dem jungen Herrn bloß seine Sachen, und schon glaubt er, er müsse das Bett verlassen und überall rumspazieren.«
    »Keine Sorge, ich glaube nicht, dass ich es muss. Ich wollte es einfach nur tun.« Sein Lächeln zeigte die erhoffte Wirkung.
    »Schon wieder Schelm, was?« Sie drohte ihm spaßhaft mit dem Finger. »Na, dann kommt und setzt Euch her. Fräulein Brida und ihr Vater sind beide aus.«
    Die Küche war einfach ausgestattet, aber sie strahlte eine Wärme aus, die ihm eine Geborgenheit vermittelte, die er lange nicht gespürt hatte. Neben der Herdstelle stand ein großer Eichentisch. Erst beim zweiten Hinsehen bemerkte er den kleinen Knaben von etwa fünf Jahren, der unter dem Tisch spielte.
    »Das ist der Hans«, sagte Marieke. »Elsas Enkel.«
    »Elsa?«
    »Die Köchin vom Herrn Käpt’n. Sie wohnt drei Straßen weiter, kümmert sich nebenher noch um den Haushalt ihres Schwiegersohns. Na, und ich pass manchmal auf den Kleinen auf.«
    »Und seine Mutter?«
    »Die hat der Herrgott letztes Jahr heimgerufen. Und der Peter, ihr Mann, der ist meist auf See. Der wird sich so bald wohl auch kein neues Weib ins Haus holen, der hat nämlich an der Agnes gehangen. Na, was bleibt der Elsa da anders übrig, als sich um den Lütten zu kümmern.«
    Der kleine Junge war auf ihn aufmerksam geworden und kletterte unter dem Tisch

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