SCHLANGENWALD
Quepos, 150 Kilometer südwestlich der Hauptstadt San José, abgestürzt sein. Der letzte Funkkontakt erfolgte um 15.27 Uhr. Um 15.34 Uhr war das Flugzeug vom Radarschirm verschwunden. Bis Redaktionsschluss war die Suche nach dem Flugzeug ergebnislos verlaufen.
„Na, schöne Frau, nicht so viel lesen, das ist schlecht für die hübschen Augen.“ Der Betrunkene stand nun an Paulas Tisch. Sie lächelte ihn höflich an und machte sich auf den Heimweg.
Paulas Eltern waren vor einigen Jahren in ein Haus bei Krems in Niederösterreich gezogen und hatten ihr die zentral gelegene Wohnung hinter dem Wiener Rathaus überlassen, mit einer kleinen Terrasse mit Blick auf einen begrünten Innenhof.
Paula hatte soeben die Schuhe ausgezogen, als sie hörte, wie jemand am Schloss hantierte. Sekunden später stand Clea mitten im Vorzimmer und ließ dort ihre riesige Handtasche fallen. Das orangefarbene Kleid passte gut zu ihren dunklen Haaren, fand Paula.
„Scheißtag“, stöhnte Clea.
„Du sagst es“, bestätigte Paula und hütete sich, die Freundin aufzufordern mehr zu erzählen. Momentan hatte sie selbst genug Probleme am Hals.
Der schlechte Geschäftsgang ihrer Agentur beschäftigte Paula seit Monaten. Immer wieder versuchte sie neue Konzepte zu entwickeln, die ihr Geld einbringen sollten. Mit mäßigem Erfolg. Theoretisch hatte Paula jederzeit die Möglichkeit, zu ihrem Ex-Boss Santo zurückzukehren, der sie immer wieder mit interessanten Projekten zu ködern versuchte. Doch sie hattelange gebraucht, um sich aus Santos charmanten Fängen zu lösen, und dachte nicht daran, ihre hart erarbeitete berufliche Freiheit für ihn aufzugeben. Obwohl auf ihrem Bankkonto mittlerweile über zweitausend Euro fehlten. Tendenz steigend. Hin und wieder übernahm sie jedoch gern einzelne Arbeitsaufträge für Santo. Als er vor zwei Wochen bei ihr anfragte, ob sie ein dringendes Projekt für ihn übernehmen wollte, musste sie sich zusammenreißen, um nicht sofort in lautstarken Jubel über den zu erwartenden Geldsegen auszubrechen.
„Druckerpatrone habe ich keine, aber wenn du möchtest, hole ich meinen Drucker und schließe ihn bei dir an“, holte Clea sie zurück in die Realität. Probleme sind zum Lösen da, war das Motto ihrer praktisch veranlagten Freundin. Keine Stunde später lagen alle Unterlagen ausgedruckt und ordentlich gebündelt in den Präsentationsmappen.
„Sei mir bitte nicht böse, aber wir sehen uns morgen. Ich brauche jetzt dringend ein Bad und einen Tee. Gib mir dann Bescheid, wie es gelaufen ist.“ Clea drückte Paula einen Kuss auf die Wange. Dann schnappte sie den riesigen Lederbeutel und fort war sie.
Zwei
Freitag
1.
Schon der Morgen ließ die bevorstehende Hitze dieses Tages erahnen. Paula saß bereits eine Stunde vor dem Termin im Konferenzraum der Agentur und bemühte sich, die Computerpräsentation auf dem Laptop zu starten.
„Hast du’s?“ Der Direktor der Agentur stand im Türrahmen. Er fixierte Paula mit dem für ihn typischen, bohrenden Blick. Karl Santo war Ende vierzig, groß, schlank und die Dynamik in Person. Er sah nicht nur blendend aus, sondern verfügte obendrein über einen ausgesprochen guten Geschmack, was die Wahl seiner Kleidung anbelangte: Heute trug er einen cremefarbenen Dreiteiler, dazu Hemd und Krawatte in Lachsrosa, was seinen dunklen Teint betonte. Obwohl glatt rasiert, schimmerten dunkle Bartstoppeln durch die Haut.
„Alles schon angeschlossen. Wenn die Technik nicht unerwartet verrückt spielt, müsste alles klappen. Wann kommt eigentlich Camilla?“, fragte Paula, während sie das Programm erneut startete. Camilla war die Projektmanagerin und Paula wollte ihr noch einige Feinheiten in den Texten erklären. Sie hatte sie die letzten beiden Tage nicht erreichen können.
„Gut, dass du fragst.“ Santo räusperte sich. „Beim Ablauf gibt es eine kleine Änderung. Camilla fällt heute, nun ja, und wohl auch in den nächsten Wochen aus. Der Arbeitsdruck war zu groß für sie, sie ist zusammengeklappt. Burnout, ausgebrannt, nannte es der behandelnde Arzt.“
Paula fuhr herum: „Ist das wieder eines deiner Späßchen?“
„Nein, Paula. Leider nicht. Camilla fällt aus. Ich habe dirnichts davon gesagt, um dich nicht unnötig zu beunruhigen. Noch dazu, wo ich weiß, dass du diese Präsentation auch allein brillant durchführen wirst. Du hast dich mit dem Projekt im Detail auseinandergesetzt und die meisten Texte formuliert. Außerdem waren Kundengespräche schon immer
Weitere Kostenlose Bücher