SCHLANGENWALD
Santo anfing, überschwänglich Komplimente zu machen.
„Nun, da wäre noch eine Sache.“
Santo räusperte sich und lockerte ein wenig seinen Krawattenknopf. Sollte sie ihn darauf aufmerksam machen, dass er das immer tat, wenn ihm etwas unangenehm war, und dass es ihn durchschaubar machte? „Wenn ich mich recht erinnere, sprichst du doch fließend Spanisch?“
„Ich kann mich verständigen. Von fließendem Spanisch kann keine Rede sein“, stellte Paula klar. Was sollte die Frage? Was wollte er denn?
„In Anbetracht dessen, dass du so großen Eindruck auf unsere Kunden gemacht hast, und im Vertrauen darauf, dass du sicher gern auf Reisen gehst, habe ich ihnen vorgeschlagen, dass du dich höchstpersönlich um die Public-Relations-Kampagne kümmern und in der Anfangsphase vor Ort sein könntest.“
„Ist das dein Ernst?“ Paula warf ihm einen Blick zu, der ihn, hätte er töten können, das Leben gekostet hätte. Dass er sie vorhin überrumpelt hatte, ließ sie ihm noch durchgehen. Vor allem bei dem großzügigen Stundensatz. Aber einen solchen Vorschlag hinter ihrem Rücken zu machen, empfand sie als unverschämt.
„Paula, bitte entscheide nicht vorschnell. Lass dir Zeit, denk übers Wochenende nach. Mir ist schon klar, dass das alles ein wenig überraschend kommt und auch, dass es etwas dreist von mir war, dich ungefragt vorzuschlagen. Aber du würdest dort wie eine Königin behandelt werden, es würde dir an nichts fehlen. Es wäre gewissermaßen wie bezahlter Urlaub“, versuchte Santo Paula die Sache schmackhaft zu machen.
„Wohin soll es diesmal gehen?“
Das letzte Mal, als Santo sie auf Reisen geschickt hatte, musste sie drei Wochen im Ruhrgebiet verbringen. Den ganzen Tag war sie auf dem Messegelände in Essen unterwegs gewesen und abends, wenn die Kollegen sich in schicken Lokalen trafen, um bis in den Morgen zu feiern, musste sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln die fast einstündige Heimreise durch ein unendlich scheinendes Häusermeer antreten, um das stickige Dachzimmer in einer kleinen Pension zu erreichen, das die Agentur für sie gebucht hatte.
Santo blickte auf seine gepflegten Hände. Dann sah er ihr direkt in die Augen und lächelte sie an.
„Wie ich schon sagte, es wäre der reinste Urlaub.“
„Wohin?“, insistierte Paula. Wenn er die Ware über den grünen Klee lobte, würde es wohl ganz dick kommen.
„Du fährst – vorausgesetzt natürlich, du nimmst diese einmalige Chance wahr – nach Costa Rica. Na, was sagst du? Ist das nicht großartig?“ Seine dunklen Augen blitzten sie an. Er schien tatsächlich von seinem Vorschlag begeistert zu sein.
„Costa Rica?“ Welch ein Zufall: gestern noch ein Einspalter in der Zeitung, heute schon ein Reiseziel. Paula versuchte sichdie Weltkarte vorzustellen. Costa Rica lag in Mittelamerika. Viel mehr wusste sie nicht über das Land. Sie hatte sich für die Präsentation eingehend mit jenen Tourismuscentern befasst, die als Erste eröffnet werden sollten. Da das Projekt in Costa Rica, laut ihren Unterlagen, aber erst für das nächste Jahr geplant war, hatte sie nur die Konzepte für die Standorte in Ungarn, Deutschland und Italien erarbeitet, die schon in einigen Monaten eröffnet werden sollten. Ein oder zwei Wochen in Italien hätte sie sich noch einreden lassen. Aber Mittelamerika? Andererseits, warum nicht?
„Das Projekt in Costa Rica hat sich erfreulicherweise sehr positiv entwickelt. Befürchtete Probleme mit Behörden sind ausgeblieben, und so hat die Gesellschaft kurzerhand beschlossen, dem Projekt in Costa Rica den Vorzug zu geben. Zumal es auch eine der ganz großen Anlagen in einer wunderschönen Landschaft sein wird.“
„Wann und wie lange?“ Paula wollte sich von seinen Übertreibungen nicht verführen lassen.
„Schätzungsweise in einem Monat, wenn es keine baulichen Verzögerungen gibt, für ungefähr – na ja, für zirka zwei Wochen. Was meinst du?“
Santo sah sie erwartungsvoll an. Paula wusste, dass die Frage rein rhetorisch war. Er hätte es nie verstanden, wenn sie nicht wenigstens über diesen Auftrag nachgedacht hätte. Für Santo gab es nur seine Firma und von jedem, der für ihn arbeitete, erwartete er dasselbe. Es war sicher kein Zufall, dass die meisten Mitarbeiter Singles waren, von Familie und Kindern ganz zu schweigen. Mit Ausnahme von Santo selbst, der das Glück hatte, eine Frau an seiner Seite zu haben, die die Familie managte.
Paula hatte keine Ahnung, ob diese Reise für sie in
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