Schlecht aufgelegt (German Edition)
Augen.
«Gleich hier um die Ecke. Brauchst du ’nen Kaffee?»
«Neee, Kaffee ist mir zu gefährlich», antwortete Kuli, und da er so gar nicht zu Scherzen aufgelegt schien, musste das wohl ernst gemeint gewesen sein.
«Rufen wir denn jetzt die Polizei oder nicht?», fragte er und blickte nervös zu Herrn Kletzke, der soeben mitbekommen hatte, dass hier, in der hintersten Ecke am Fenster, nicht korrekt gearbeitet wurde.
«Und wenn da gar nix war?», fragte Paul zurück. Unnötigen Ärger galt es stets zu vermeiden.
«Wie, wenn da nix war? Da war doch …»
«Die haben doch nur gestritten», unterbrach Paul. «Jetzt stell dir mal vor, wir rufen die Bullen, die tauchen da auf, und dann hatte die nur ein bisschen Streit mit ihrem Freund. Was glaubst du, was der Kletzke uns erzählt.»
«Das ist doch egal, was der uns erzählt.» Kuli konnte es nicht glauben. «Jetzt stell dir mal vor, wir rufen die Bullen nicht, und die hätte gerettet werden können, und dann ist da was ganz Schlimmes passiert, und zwar nur, weil wir nicht aus dem Quark gekommen sind. Da will ich dich aber mal sehen. Und mich.»
Herr Kletzke erhob sich von seinem Schreibtisch und machte sich auf den Weg zu ihnen.
«Wir haben Warteschlange», argumentierte Paul.
«Und warum hast du dir dann den Namen und die Adresse überhaupt besorgt?», fragte Kuli.
«Weil … darum.»
«Aha.»
«Na, die Herren», sagte Herr Kletzke und baute sich vor ihnen auf. «Kleines Nachmittagspläuschchen? Gemütlicher Kaffeeklatsch? Der Beginn einer zärtlichen Freundschaft?»
Paul schüttelte den Kopf. «Auf keinen Fall, Herr Kletzke. Herr Kulenkampff hat etwas Probleme mit der Kundenweiterleitung, keine große Sache. Aber ich muss ihm das immer wieder erklären, damit er das auch wirklich richtig verinnerlicht und seinen Stundenschnitt schafft, Herr Kletzke.»
«So.»
Kuli nickte. «Jawohl, Herr Kletzke, Herr Uhlenbrock macht das ganz ausgezeichnet, das liegt alles nur an mir und daran, dass ich neu bin.»
Herr Kletzke wusste offenbar nicht so ganz genau, ob man sich gerade über ihn lustig machte, und zog misstrauisch die Brauen in Richtung Haaransatz. Martin Schulte mischte sich über den Vierer-Tisch hinweg ein. «Die arbeiten super, Herr Kletzke», rief er lässig durch den Raum und lachte seinen Abteilungsleiter an. «Ich hab das schon die ganze Zeit auf dem Schirm!»
Herr Kletzke sah plötzlich zufrieden aus.
«Wenn Sie das sagen, Herr Schulte.» Er drehte sich um und ging zurück auf seinen Hügel. Martin Schulte streckte den Daumen in die Höhe und malte ein großes ‹S› in die Luft. ‹S› für Samstag. ‹S› für Spätschicht.
‹S› für Spacken, dachte Paul, setzte sein schönstes Lächeln auf und hob seinerseits den Daumen.
«Gleich ist Feierabend», sagte er zu Kuli. «Gleich haben wir’s geschafft.»
Kuli wand sich. «Ich weiß das alles nicht …», fing er an.
«Was denn?»
«Diese Lisa Gerhard …»
Paul schnaufte. Dann gab er sich einen Ruck. «Ja, komm, ich ruf die an», sagte er und griff nach dem Zettel mit der Telefonnummer. Er wählte, es klingelte, sie warteten.
Fünf Sekunden später klackte es in der Leitung, jemand ging ran, sagte aber nichts.
«Hallo?», fragte Paul.
Schweigen.
«Hier ist Uhlenbrock, wir hatten Sie eben am Apparat …», versuchte er es dann.
«Verdammt noch mal», brüllte da eine weibliche Stimme, die dennoch tränenerstickt schien. Kuli und Paul zuckten zusammen.
«Wo bleiben Sie denn?», schrie die Frau. «Was glauben Sie denn, warum ich Sie angerufen habe?»
«Ich …», begann Paul.
«Sie sollten herkommen und mir helfen! Meine Adresse werden Sie ja wohl rausfinden können, oder was?»
«Natürlich», sagte Paul.
«Dann los! Arschlöcher!», schloss sie und legte auf.
Kuli und Paul schauten sich an.
«Tja», sagte Paul.
Kuli nickte. «Wo wohnt die noch mal?»
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Der Fernseher ist kaputt
K einer da», sagte Paul mürrisch. Sie waren unter leichten Mühen die hölzerne Wendeltreppe hinaufgestiegen und standen nun im vierten Stock direkt vor Lisa Gerhards Wohnungstür. Kuli hatte geklingelt, und während sie warteten, tropfte es von ihrer regennassen Kleidung auf den Boden. Das leise hallende Plitsch, Platsch, Plitsch war – vom dumpfen, unheimlich grollenden Dröhnen der Straße abgesehen – das einzig wahrnehmbare Geräusch, ansonsten drang kein Laut zu ihnen. Schon gar nicht aus Lisa Gerhards Wohnung.
«Erst mal abwarten», antwortete Kuli und
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