Schloß Gripsholm
wieder zum Himmel auf. Da war nichts. Er lag glatt, blau und halbhell. Da war nichts.
»Peter...«, sagte die Prinzessin. »Peter...«
4
»Sagen Sie bitte, Frau Andersson«, sagte ich zu der Schloßdame, die uns einen schönen guten Abend bot, und ich sprach ihren Namen »Anderschon« richtig aus, »was mögen das für Kinder sein, denen wir vorhin begegnet sind? Da ... da hinten... in den Wiesen?« – »Ja, da sind viele Kinder. Das ist wohl Bauernjungen, die spielen da viele Gängen...« – »Nein, nein. Es waren kleine Mädchen, sie gingen geordnet, wie ein Institut, eine Schule, so etwas...« – »Eine Schule?« Frau Andersson dachte nach.
»Ah – das werden die von der Frau Adriani gewesen sein. Von Läggesta.« Und sie deutete über den See, wo man weit, weit in einer Lichtung recht undeutlich ein großes Gebäude liegen sah. »Das ist ein Pensionat, das ist eine Kinderkolonie. Ja.« Dazu machte sie ein Gesicht, wie ich es noch nie bei ihr gesehen hatte. Ich wurde neugierig. Man soll nie jemand nach dem fragen, was man wissen will, das ist eine alte Weisheit. Dann sagt er's nicht. »Da sind gewiß viele Kinder... wie?« – »Ja, eine heile Masse«, sagte Frau Andersson; man mußte oft raten, was sie wohl meinte, denn sie übersetzte sich wahrscheinlich alles wörtlich aus dem Schwedischen. »In diesen Pensionat sind viele Kinder, aber nicht viele schwedische Kinder. Es gescheht Gottlob!« – »Warum Gottlob, Frau Andersson?« – »Jaha«, sagte sie und schlug mit der Seele einen Haken, wie ein verfolgter Hase, »da sind nicht viele schwedischen Kinder ne-do!« – »Schade«, sagte ich und kam mir mächtig diplomatisch vor. »Da ist es gewiß hübsch...« Frau Andersson schwieg einen Augenblick. Dann nahm sie beherzt einen kleinen Anlauf. Sie senkte die Stimme.
»Das ist... das ist nicht eine liebe Frau, der da ist. Aber ich will nichts Böses sagen... verstehn Sie. Es ist eine deutsche Dame. Aber sie ist keine gute Dame. Das Volk von Deutschland sind so wohnliche Menschen – nicht wahr... Waren Sie so gut, fassen Sie mir das nicht übel!« – »Sie meinen die Vorsteherin von dem Pensionat?« – »Ja«, sagte Frau Andersson. »Die Versteherin. Die Versteherin, das ist eine schlimme Person. Das ist... jeder fühlt sie hier. Wir haben nicht an ihr Geschmack. Sie ist nicht gut gegen den Kindern.« – »So«, sagte ich und sah auf die Bäume, die leise mit den Blättern zitterten, wie wenn sie fröstelten, »so – keine gute Dame? Na... was macht sie denn? Schreit sie mit ihnen?« – »Ich will Sie etwas sagen«, sagte Frau Andersson, und nun wandte sie sich zur Prinzessin, als ob diese Sache nur unter Frauen abzuhandeln wäre; »sie ist hart zu den Kindern. Die Versteherin... sie slagt die Kinder.« Der Prinzessin gab es einen Ruck. »Sagt denn da niemand was?« – »Jaha...«, sagte Frau Andersson. »So schlagt sie sie nicht. Die Polizei kann darein nichts sprechen. Sie schlagt ihnen nicht, so zu krank zu werden. Aber sie ist unrecht dazu, die Kinder ist sehr bange für ihr.« Sie deutete auf ein schloßartiges Gebäude, das hinter Mariefred auf einem Hügel lag. »Ich möchte lieber da sein als bei der Kinderfrau.« – »Was ist denn das da hinten?« fragte ich. »Das ist eine Irrtumsanstalt«, sagte Frau Andersson. »So – und die Irren haben es besser als diese Kinder da?« – »Ja«, sagte Frau Andersson. »Aber da will ich sehn, ob das Abendmahl fertig ist... einen Augenblick!« Und sie ging, eilfertig, wie wenn sie zuviel gesagt hätte.
Wir sahen uns an. »Komisch, wie?« – »Ja... das gibt's«, sagte ich. »Wahrscheinlich irgend so ein Deubel von Weib, das da mit der Zuchtrute regiert...« – »Peter – spiel noch ein bißchen Klavier, bis das Essen fertig ist!«
Und wir gingen ins Musikzimmer der Schloßfrau, das hatte sie uns erlaubt, und ich setzte mich an das kleine Klavier und ließ fromme Gesänge ertönen. Ich spielte hauptsächlich auf den schwarzen Tasten; man kann sich besser daran festhalten.
Ich spielte:
Manchmal denke ich an dich,
das bekommt mich aber nich...
denn am nächsten Tag bin ich so müde –
und:
Wenn die Igel in der Abendstunde
still nach ihren Mäusen gehn,
hing auch ich an deinem Munde –
und dann sangen wir alte Volkslieder und dann amerikanische Lieder, und dann sangen wir ein Reiterlied, das wir selber gedichtet hatten, und das ganz und gar blödsinnig war, von der ersten bis zur letzten Zeile, und dann war das Abendessen fertig. Wir
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