Schloß Gripsholm
gäbe bestimmt ein Unglück, und sie brauchte sich nicht zu beunruhigen, wir würden inzwischen sehen, was sich machen ließe – aber sie möchte uns erlauben, einmal mit ihr zu telephonieren. »So«, sagte die Prinzessin und klebte zu. »Das hätten wir. Gleich weg mit ihm. Auf die Post –!« Als der Brief in den Kasten plumpste, fiel uns je ein Stein vom Herzen. »So ein Kind...«, sagte ich. »So ein kleiner Gegenstand –!« Und da lachten mich die beiden heftig aus.
»Gib mir mal 'n Zigarettchen!« sagte Karlchen, der gern andrer Leute Zigaretten rauchte und ihre Zahnpasten benutzte. (»Freundschaft muß man ausnutzen«, pflegte er zu sagen.) »Wißt ihr auch«, sagte er in die abendliche Stille, während wir langsam durch die Straßen von Mariefred gingen und uns die Schaufenster ansahen, »daß ich morgen abend fahre?« Bumm – das hatten wir vergessen. Die acht Tage waren um – ja –
»Wollen Sie nich noch 'n büschen bei uns bleiben, Karling?« fragte die Prinzessin. »Gnädigste«, sagte der lange Lümmel und streckte den Arm aus, »leider läuft mein Urlaub ab – ich muß. Ich muß. Herrschaften, das war aber eine anstrengende Konferenz!« Er blieb stehen. »Na, du bist doch Experte in Konferenzen... du Beamter!« – »Ich schimpfe dich auch nicht Literat, du Buffke. Der alte Eugen Ernst sagte immer: Wenn einer nichts zu tun hat, dann holt er die andern, und dann machen sie eine Konferenz. Und zum Schluß, wenn alle geredet haben, dann konstatiert er. Und dann ist es aus. Und jetzt setz dich noch mal an deinen Schreibpflug und schreibe für Jakopp ein Kartentelegramm!« Das tat ich.
»Ich finde«, sagte ich zu Karlchen, »es muß ein Einwort-Telegramm sein. Es wird sonst zu teuer. Da:
Drahtetsofortobhiesigenmälarsee-
zwecksbewässerungkäuflicherwerben-
wolltwassergarantiertechtallerdingsnur-
zuschwimmzweckengeeignetfasthoch-
achtungsvollfritzchenundkarlchenwasser-
oberkommissäre.«
»Na, da wollen wir ihm den Abschiedstrunk rüsten, was?« sagte Lydia. Wir rüsteten. Wir krochen umher und plagten die gute Schloßdame, auf daß wir etwas zu trinken bekämen; wir kauften ein und fanden es alles nicht schön genug; wir stellten auf und packten aus, und... »Was gibt es zu essen?« erkundigte sich Karlchen. »Was möchten Sie denn?« fragte die Prinzessin. – »Ich möchte am liebsten Murmeltierschwanzsuppe.« – »Wie bitte?« – »Kennt ihr das nicht? Die jungen Leute! Zu meiner Zeit... Also Murmeltierschwanzsuppe wird im hohen Norden von den Eskimos gewonnen. Sie jagen das Murmeltier so lange, bis es vor Schreck den Schwanz verliert, und auf diese Weise –« Worauf wir ihm zwei Kissen an den Kopf warfen, und dann gingen wir hinunter und aßen.
»Ich möchte eigentlich noch über Ulm fahren«, sagte Karlchen. »Da habe ich eine Braut zu stehn – die hätte ich gern überhört.« – »Sie sollten sich was schämen!« sagte die Prinzessin. »Ist sie hübsch?« fragte ich. »Na, wie wird sie schon sein... deine Weiber...« Er grinste, und: Deine vielleicht... konnte er ja jetzt nicht sagen. »Wie willst du über Ulm fahren?« fragte ich. »Da kommst du doch gar nicht hin!« – »Ich fahre auch nicht«, sagte Karlchen. »Ich möchte bloß mal...« – »Er ist ein gesprochener Casanova«, sagte die Prinzessin. »Du, Alte –«, sagte ich, »manchmal läßt er seinen lieben Worten auch Taten folgen, und dann geht es gar heiter zu.« Karlchen lächelte, wie wenn von einem ganz andern wilden Mann gesprochen würde, und wir entkorkten mit einem weithin hörbaren Flupp den Whisky, woraufhin Karlchen zum ›Herrn Fluppke‹ ernannt wurde, und dann saßen wir und tranken gar nicht viel. Wir redeten uns besoffen. Die vier Windlichter bewegten sich in dem schwachen Luftzug.
»Rauch nur deine Pfeife!« sagte Karlchen. »Rauch nur! Er verträgt doch kein Nikotin, Prinzessin! Ist die Pfeife etwa neu?« – »Das ist es ja eben«, sagte ich. »Ich muß sie anrauchen. Mensch, Pfeifen anrauchen...« – »Kann man das nicht mit Maschinen?« fragte die Prinzessin. »Ich habe mal so was gehört.« – »Man kann es mit Maschinen«, sagte Karlchen. »Ich hatte einen Schulfreund, in der Oberprima, der hatte erfunden, Pfeifen mit der Luftpumpe anzurauchen. Ich weiß nicht mehr, wie er das gemacht hat – aber er machte es. Ich hatte ihm meine neue Pfeife gegeben, eine wundervolle neue Pfeife. Und da muß er wohl zu stark mit der Pumpe gearbeitet haben... und da hat sich die Pfeife selbst ausgeraucht, und
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