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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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hörte oder auf der Straße oder beim Betreten eines Restaurants eine junge Frau in ihrem Alter und mit ihrer Haltung sah – oder wenn er nicht ganz auf ein anderes Thema konzentriert war oder seine Gedanken bewußt auf sie richtete, dann nahm er wahr, daß er traurig war.
    Ganz anders als Charlotte erwies Carrie sich als geradezu schreibsüchtig. Jason hatte im Poolhouse ein Faxgerät installiert. Kaum ein Tag verging ohne eine Nachricht von ihr, sie schrieb ihm fehlerlos in der säuberlichen Schulmädchenschrift, die er so bewundert hatte, wenn sie bei O’Henry’s seine Bestellung notierte. Die Schulbildung war bei Carrie nicht vergeblich gewesen. Hätte er doch Bekanntschaft mit Mr. und Mrs. Gorchuck schließen dürfen, wüßte er wenigstens die Adresse der beiden, dann hätte er ihnen mit Freude eine Postkarte geschickt und zuihrem wunderbaren Kind gratuliert, vielleicht einen Brief Carries als Beleg hinzugefügt. In diesen Briefen hielt sie ihn über alles auf dem laufenden: die ruhige Entwicklung des Fötus samt Herztönen und heftigen Fußtritten; Jasons ungetrübte Freude an der Aussicht, ein »Dad« zu werden; den Kauf der Marina; die hunderttausend Reparaturen, die Bryan, manchmal mit Hilfe Jasons, im Haus tätigte – ihm würden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn er wiederkomme; sie schrieb, wie sie aufpaßte, daß der Volvo schön gesund blieb und daß sie ihn jede Woche einmal bewegte – und sie antwortete in aller Ausführlichkeit auf seine häufigsten Fragen: nach den physischen und moralischen Fortschritten von Sy, Kurzform für Siam, das siamesische Katzenjunge, das sich mit Riesenschritten dem Kastrationsalter näherte – Sy war ein Geschenk von Carrie und Jason, das sie ihm gebracht hatten, als er von seinen dominikanischen Ferien zurückgekommen war.
    Während seiner beiden Ferienwochen auf Mr. Mansours Besitz waren sie in das Poolhouse eingezogen. Falls sie zu Hause waren, müßten sie wach sein, nahm er an, denn im Haus brannte überall Licht, und wenn seine Annahme stimmte, war es merkwürdig, daß sie nicht zu seiner Begrüßung gekommen waren, aber womöglich waren sie ausgegangen und hatten das Licht brennen lassen, so wie er es immer machte. Die Vorstellung, an ihrer Tür zu klopfen oder anzurufen, behagte ihm nicht. Der Abend war sehr kalt, ganz ungewöhnlich kalt für Bridgehampton, er litt noch an einem Sonnenbrand, infolgedessen seine Haut wie Grünspan aussah, und er vermißte Carrie, wie er glaubte, noch mehr als sonst, weil er nach einer Ferienzeit in einem Haus voller Gäste jetzt zum ersten Mal wieder ganz allein war. Wenigstens hatte sie seine Post sortiert. Sie lag säuberlich geordnet in Stapeln auf dem Küchentisch: Rechnungen, Zeitschriften, Reklamemüllund ein Rest, den sie nicht zuordnen konnte. Er nahm ein Bad, zog saubere warme Sachen an und goß sich einen Bourbon ein. Jedes dieser Heilmittel hatte die gewünschte Wirkung. Ermutigt nahm er einen zweiten Drink und begann mit der Durchsicht der nicht klassifizierbaren Post. Lange wollte er sich damit nicht aufhalten. Der Magen knurrte ihm vor Hunger, aber er war entschlossen, sich nicht mit Thunfisch oder anderen Schmidt-Vorräten aus der Speisekammer zu sättigen. Ehe er sich der Erniedrigung aussetzte, daß diese beiden – falls sie wirklich weggegangen waren und zufällig wiederkamen, während er aß – ihn dabei ertappten, wie er einsam und allein hartgekochte Eier und irgendwelches Dosenfutter in Angriff nahm, das er mit der Gabel aus der Büchse gekratzt hatte, ehe er sich dies antat, schleppte er sich lieber zu O’Henry’s. Er war schon auf dem Sprung zu gehen, da hörte er die Türklingel, dann das Öffnen der Haustür und Carries Stimme: Schmidtie, wir sind’s, wir wollten hallo sagen! Hey, Jason, mach die Tür hinter uns zu. Du läßt ja die Kälte rein. Natürlich, sie hatte die Tür mit dem Hausschlüssel geöffnet. Carrie in einem Umstandskleid! Er konnte die Augen nicht von ihr lassen.
    Tu nicht so überrascht, Dummkopf. Ich bin schwanger, weißt du das nicht mehr? Wir haben ein Geschenk für dich. Wow, du hast es noch gar nicht gemerkt.
    Jason trug etwas, das aussah wie ein kleiner roter Matchsack. Sie nahm ihm das Ding ab, setzte es auf den Küchentisch und zog einen Reißverschluß an der Seite auf. Im selben Augenblick sah er, was drin war: ein sandfarbenes Kätzchen mit blaugesprenkelten Augen, braunen Ohren, Füßen und Schwanz und einem verschmitzten Gesicht, bei dessen Anblick man denken

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