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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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aber trotzdem ärgerte sich Schmidt, daß die Center, da sie die Auflage hatten, im Zusammenhang mit durchaus empfehlenswerten Aktivitäten auch die Schlagworte von der freien Marktwirtschaft zu repetieren, von denen sie durchaus nicht überzeugt waren, nun munter und begeistert erklärten, die notwendige Bedingung für eine Auferstehung und erst recht für das gute Leben sei erst dann erfüllt, wenn der Staat überall aus seinen Positionenals Geschäftsführer und Eigentümer vertrieben werde und die frisch gekürten lokalen Finanzkapitäne die Schlüsselgewalt übernähmen. Schmidt schlief schlecht, plünderte auf seiner Reise von Hotel zu Hotel eine Minibar nach der andern und fragte sich, ob Mr. Mansour sich nicht die falschen Sorgen gemacht hatte. Statt zu fürchten, sein neu angeworbener Mitarbeiter werde bald kündigen, da er das Arbeiten nicht mehr gewohnt war, hätte Mr. Mansour sich lieber überlegen sollen, ob sein Protegé Schmidt noch willens war, die Position seines Arbeitgebers mit dem für einen Anwalt unumgänglichen Eifer zu vertreten. War er am Ende zu unabhängig geworden? Schmidt hatte das Gefühl, diese Frage nicht sofort beantworten zu müssen, er hätte auch keinesfalls eine Antwort geben können, bevor er wußte, wo Mr. Mansour selbst stand – wenn das überhaupt erkennbar war.
    Sein letzter Zielort war Prag, Standort des ersten europäischen Centers, das gegründet worden war, bald nachdem die Ereignisse Václav Havel das Präsidentenamt eingetragen hatten. Das Center war vor kurzem umgezogen in ein Haus an einer steilen Altstadtstraße, die zum Hradschin führte. Die Häuser dieser Straße, ehemals von Höflingen in untergeordneten Stellungen bewohnt, wurden nun zu eleganten Büros und Wohnsitzen ausländischer Geschäftsleute und neureicher Tschechen umgebaut, und die Straße war dementsprechend erfüllt vom Geruch nassen Zements und dem Lärm von Sägen und Hämmern. In den Ländern, die er bisher bereist hatte, war ihm aufgefallen, daß die Gespräche, die er während der Bürostunden mit den Direktoren der Zentren und ihren Projektleitern führte, schnell Katechismus-Charakter annahmen: Fragen und Antworten waren gleichermaßen vorhersagbar und monoton. In Prag verhielt es sich nicht anders. Wenn er das Schema durchbrechen wollte, mußte er auf denAugenblick der Entspannung warten – in seinem Fall konnte auch Lethargie daraus werden –, der zu gleichen Teilen herbeigeführt wurde durch Verzehr lokaler Delikatessen plus Wodka- und Pflaumenschnaps in verschiedenen Varianten, zu dem sie ihn einluden, sowie durch rasante Wortgefechte über die amerikanische Gesellschaft und ihr Scheitern. Erst dann ergab sich eine Chance, die Mauer aus Ausflüchten und Mißtrauen zu überwinden, die über lange Jahre durch den Zwang, gefährlichen Informanten ausweichen und despotische Vorgesetzte freundlich stimmen zu müssen, immer höher und härter geworden war. Hinzu kam ein neues Hindernis: Seine Gesprächspartner ärgerten sich über sein unverdientes Glück, das er nur der Tatsache seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft verdankte, und sie waren entschlossen, ihn nie vergessen zu lassen, auf wessen Territorium er sich befinde und an wessen Spielregeln er sich zu halten habe. Trotzdem hielt er an seiner Meinung fest, daß sie alles in allem gute Leute seien. Sie hatten sich so viel Anständigkeit bewahrt, wie vereinbar war mit dem Bestreben, üble Schwierigkeiten zu vermeiden und ein Minimum an Annehmlichkeit und Vergnügen zu erreichen. Wenn man ihnen die Zunge gelöst hatte, dann stritten sie begeistert bis tief in die Nacht über jedes beliebige Thema, solange ihre Leistungen und Vorrechte nicht angezweifelt wurden, so daß Schmidt in ihnen eine merkwürdige, leicht verzerrte Ähnlichkeit mit den Figuren der glücklosen In- telligentsia in den Romanen Dostojewskis und Gogols zu erkennen glaubte. Als er mit dem Direktor des Prager Centers unterwegs zu einem dieser Essen war, stolperte Schmidt auf dem Kopfsteinpflaster der Altstadtstraße und verdrehte sich das Fußgelenk. Der Schmerz war so stechend, daß er glaubte, der Fuß sei gebrochen. Nach vielen Stunden und Röntgenaufnahmen hatte er schließlich einfest bandagiertes Fußgelenk und die offizielle Diagnose, es handle sich lediglich um eine Bänderzerrung. Am nächsten Morgen besaß er sogar einen geschnitzten Wanderstock, der dem Vater des Direktors gehört hatte. Der Direktor bat Schmidt, diesen Stock zum Zeichen ihrer gerade

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