Schmuggler reisen unerkannt
Auto-Spinner mit ihrem
Vehikel reden wie mit ihrem besten Freund und es manchmal auch streicheln.
„Nein!“
Platzke schrie abermals, stieß
die Beifahrer-Tür auf und taumelte hinaus.
„Hartwig!“ hörte er Saßmanns
Stimme. „Bleib hier! Komm rein! Wir hauen ab.“
Abhauen?
Daß der Mann schwerverletzt,
vielleicht sogar tot war — Himmel, das sah man doch!
Er lag rechts vor dem Wagen,
mit dem Oberkörper auf dem Grünstreifen.
Das Fahrrad war nur noch ein
wirres Gebilde aus Metall. Der Rucksack hing in den Zweigen eines Haselstrauchs
— allerdings nicht sehr hoch.
Fünf Cola-Flaschen waren
explodiert wie Bomben. Apfelsinen kullerten über die Landstraße. Die dickste
Orange hatte eine abschüssige Stelle erreicht und beschleunigte. Eine
Kekspackung war aufgebrochen und krümelte.
„Hartwig!“
Saßmann brüllte. Sein herrisches
Wesen, das er auch bei den dunklen Geschäften herauskehrte, gewann die
Oberhand.
Aber Hartwig Platzke beachtete
ihn nicht.
Platzke mußte Gewißheit haben.
Nur von hinten hatte er den Mann gesehen: einen Graukopf im Jogging-Anzug.
Offensichtlich hatte der Alte eingekauft in der Stadt und war jetzt auf dem
Rückweg nach... Nur Dickelheim kam in Frage.
„Hartwig! Verdammt! Wenn uns
jemand sieht! Jeden Moment kann wer kommen.“
Platzke hörte nicht hin. Er
beugte sich über die reglose Gestalt. Das Gesicht...
Also doch! Er kannte den Mann.
Platzkes Hand tastete nach der Halsschlagader.
Gott sei Dank! Da war Puls. Der
Alte lebte. Aber aus dem linken Ärmel lief Blut.
Drüben wurde der Schlag
geöffnet. Saßmann stieg aus. Platzke kauerte am Straßenrand und versucht, das
Würgen in seiner Kehle niederzukämpfen.
Als er aufblickte, fiel der
Schatten von Saßmanns wuchtiger Gestalt über ihn.
„Lebt er? Na, also! Wir verduften,
Hartwig! Komm endlich!“
„Du bist zu schnell gefahren.
Bist gerast wie ein Idiot! 80 sind hier erlaubt. Dort hinten steht das Schild.
Aber du... Nur deshalb... 150 hattest du drauf. Mindestens.“
Saßmann drehte den Kopf. Seine
Augen suchten die Landschaft ab: Wiesen, ein hügeliges Gelände, im Osten der
Wald wie eine Barriere, auch westwärts ein Waldgürtel. Und überall zaghaftes
Frühlingsgrün.
„Steig ein, Hartwig! Oder
willst du uns unglücklich machen?“
„Er braucht Hilfe.“
„Ist nicht unsere Sache. Oder
bist du Arzt? Wir hauen ab. Gleich kommt der nächste Wagen vorbei. Man wird
sich um ihn kümmern.“
„Ich kenne ihn. Erich Schotten.
Ein Gymnasiallehrer. Judy“, er meinte seine Freundin, „hatte Unterricht bei
ihm.“
„Jajaja!“
Saßmann lief um den Wagen herum
und warf sich hinters Lenkrad.
Platzke sah, daß der
silbergraue Mercedes beschädigt war: am rechten Kotflügel, vom.
„Ich fahre“, schrie Saßmann.
Ihm war’s zuzutrauen, daß er
Platzke zurückließ.
Vielleicht hat er recht, dachte
der. Außerdem ist er der Boß. Und was geht Schotten mich an? Aber der erste
Schreck... O Mann, das nervt! Der Anprall, der Krach, die verdrehte Gestalt.
Platzke rutschte auf den
Beifahrersitz und schloß die Tür.
Saßmann fuhr einen Bogen nach
links.
Trotzdem — mit einem Hinterrad erwischte
er den Drahtesel-Blechhaufen. Die Lenkstange wurde hochgewuppt und schlug an
die Bodenwanne.
„Ich sage dir, wie’s
weitergeht“, dröhnte Saßmann. „Klar?“ Er sagte jedem, wie es weiterging und was
er zu tun hatte. Für einen Moment spürte Platzke gallige Wut.
„Ein schreckliches Unglück“,
Saßmann sprach durch die Zähne. „Aber ich sehe nicht ein, weshalb daraus noch
mehr Schaden entstehen soll. Du verstehst?“
„Nein.“
„Mann, Hartwig! Ich bin
vorbestraft. Zweimal wegen Alkohol am Steuer. Wenn ich jetzt... Als Inhaber
einer Kfz-Reparaturwerkstatt brauche ich den Führerschein.“
„Die Werkstatt ist doch nur
deine Fassade“, knurrte Platzke. „Du lebst vom Dealen.“
„Ich lebe davon. Du lebst
davon. Wir leben gut davon. Aber die Werkstatt muß sein. Oder soll ich als
Beruf Drogenhändler angeben?“
Platzke spähte nach vorn. Bis
jetzt war ihnen kein Fahrzeug und kein Fußgänger begegnet.
„Also, wie geht’s weiter,
Chef?“
Saßmann stülpte die Wulstlippen
vor und sog Luft ein. Er war ein großer, ungeschlachter Kerl mit Kahlschädel
und hemdsärmeligem Benehmen.
„Wir fahren zurück“, sagte
Saßmann. „Klunk muß warten.“
Der Mercedes, in dem sie saßen,
gehörte Heinrich Klunk.
Erichs böser Nachbar hatte vor
Tagen sein Fahrzeug zu Saßmann in die Werkstatt gebracht
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