Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
doch angeblich Ordnung ins Universum, oder?«
    »Das war wohl ein schweizerisches
oder
, nicht wahr? Entschiedene Verneinung jeder Alternative? Aber da hört man, daß Sie Laie sind. Was Profs betreiben, also akademisches Denken ... Denkerei? Gedenke? Nein, sagen wir: Dunk. Akademischer Dunk dient nicht zur Gliederung des Universums, sondern zu dessen wohlstrukturierter Vernebelung. Insofern habe ich durch das kühne Arrangement der Stapel drüben Form und Inhalt zu einer angemessen konfusen Einheit gebracht.«
    Komarek leerte sein Glas. »Prosit«, sagte er nachträglich. »Auf Ihrer beider Wohl. Gibt es einen Plural von Wohl, nebenbei?«
    Matzbach nahm die Flasche, goß nach und lehnte sich an die Sargbar. »Wie mache ich mich als Barsarger?«
    »Ich schlage als Sammelplural von Wohl Gewöll vor«, sagte Hermine. »Was die Bücher angeht, wollte er sie längst loswerden. Er hat mit einem Freund zusammen ein Antiquariat aufgemacht; aber wie das bei Freunden nun mal so ist – das allerletzte, was die im Antiquariat wollen, ist unverkäufliche Philosophie.«
    »Gewöll allerseits.« Komarek hob eine Braue, während er behutsam trank. »Einige der Erben des verblichenen Kollegen sind bereit, sich von einem Teil der Lebensversicherungssumme zu trennen. Sie reden von zwanzigtausend.«
    »Schilling oder Mark?«
    »Wenn die Debatte noch lange dauert, werden es Euro«, sagte Hermine. »Sollen wir vielleicht rübergehen, wo man etwas bequemer sitzt?«
    »Nach dem Feilschen«, knurrte Baltasar. »Weib, immer das Bedürfnis nach Behagen zur Unzeit!«
    »Mark.« Komarek schielte in sein Glas. »Wenn Sie mir jetzt freundlicherweise signalisieren würden, ob Sie das reizt ...«
    »Was dann? Und, bitteschön, was heißt ›einige der Erben‹? Welche? Wieso nicht alle?«
    »Dann ziehe ich noch ein As aus dem Ärmel, um Sie endgültig zu stechen. Bestechen.«
    »Aha. Und wenn nicht?«
    Komarek lächelte sanft. »Wenn es Sie nicht reizt, behalte ich den schönsten Teil der Geschichte für mich. Den schönsten Teil, was Sie betrifft.«
    »Mich? Was hab ich damit zu tun, außer vielleicht demnächst?«
    »Der Tote, um den es geht, ist Ihnen flüchtig bekannt.«
    »Wie flüchtig? Und hat er einen Namen?«
    »Nicht mehr; Tote sind gewissermaßen
ex officio
anonym.«
    Hermine seufzte, schwieg aber.
    »Allmählich«, sagte Matzbach, »beginnt mir der Nachmittag zu gefallen.
Die Ex-Officio-Anonymität defunkter Hominiden
– wäre das nicht ein feiner Buchtitel?«
    »Du bastelst doch schon lange an einem Verzeichnis wünschenswerter Bücher; kommt das darin vor?«
    »Noch nicht, aber man könnte es aufnehmen.«
    Hermine gluckste leise.
»Horror vacui
...«
    Komarek räusperte sich. »Na?«
    »Na ja. Jein.« Baltasar rieb die Hüfte an der Sargkante; die Flaschen klirrten leise. »Sagen wir mal so. Ich bin angetan von Ihrer Konversation, Herr, und billige die Aufdringlichkeit, mit der Sie diesen Termin erschlichen haben.«
    Hermine unterbrach. »Aufdringliches Erschleichen? Klingt wie ein spätexpressionistischer Gedichtband. Gibt es nicht bei Lichtenberg ein nebelartiges Schleichen?«
    »Und weil das so ist, bin ich bereit, mich mit den zwanzig Riesen anzulegen – vorausgesetzt, Sie erhellen mich hinsichtlich der zahlungswilligen Erben sowie ferner vorausgesetzt, dies als letzte Bedingung, daß ich mich an den Toten, den ich angeblich gekannt haben soll, nicht allzu unangenehm erinnere.«
    »Czerny«, sagte Komarek. »Albin Czerny.«
    Hermine hob die Schultern. »Baltasars Vorleben ist bestimmt so wüst wie seine Philosophenabteilung. Mir sagt der Name nichts.«
    Matzbach hatte die Lider gesenkt. »Czerny ... Albin ... Da war was, aber ...« Er sah Komarek an. »Klingt so wie als ob«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob mehr ob als als.«
    »Wir hatten das Stichwort heute schon.« Komarek hob das Glas. »Mehr sollte ich vor dem nächsten Essen nicht davon trinken, sonst verirre ich mich. In einem Whisky-Labyrinth.«
    Baltasar leerte das Glas, stellte es auf den obersten Teak-block, klemmte die Zigarre zwischen die Zähne und klatschte in die Hände. Ohne die Macanudo wieder aus dem Mund zu nehmen, sagte er: »Labyrinth, was? Bretagne ... uh, anno achtundsechzig? Neunundsechzig?«
    »Achtundsechzig. So jedenfalls steht es in einer Art Tagebuch von Albin.«
    »Mit meinem Namen? Ah, da kann aber noch nichts von Bonn dringestanden haben. Wie sind Sie auf mich gekommen?«
    »In den hinterlassenen Papieren gab’s noch einen Wisch; stand so was

Weitere Kostenlose Bücher