Schnapsdrosseln
stumpfe, unfrisierte Haar.
Elsa fühlte sich extrem unbehaglich. Das Polster des Sofas, auf dem sie saß, wirkte schmuddelig. Warum unterbrach die Frau sie ständig, statt sie einfach das sagen zu lassen, was sie zu sagen hatte? Es roch nach angebrannten Fischstäbchen. Sie wollte nicht hier sein.
»Sie wird eingeschläfert«, stieß sie hervor, bevor die Frau wieder anfangen konnte zu plappern. »Fipsi wird eingeschläfert.«
Die Frau starrte sie mit offenem Mund an. »Aber …« Sie wirkte fassungslos.
»Sie hat ein Kind gebissen. Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst«, sagte Elsa. »Sie ist ein schwieriger Hund. Mein Sohn hat sie mir geschenkt. Er hat es gut gemeint. Sie war noch ein Welpe. Niemand konnte ahnen, dass sie einen so boshaften und heimtückischen Charakter hat. Aber ich werde die Konsequenzen ziehen.«
»Aber …«, sagte die Frau wieder. »Aber doch nicht wegen heute Morgen. Nicht wegen Jan-Eric. Es war ein Kratzer, mehr nicht …«
»Mein Entschluss steht fest«, sagte Elsa, bemüht, sich die Abscheu nicht anmerken zu lassen. Sie hasste solche Menschen. Zeter und Mordio schreien, aber kneifen, wenn es um Konsequenzen ging. Ein toter Hund, das war zu viel für ihr zartes Gewissen. Aber es war egal. Es spielte keine Rolle. Sie war egal, unwichtig und nebensächlich, und Elsa würde nie wieder mit ihr reden, sobald sie diese Sache zu Ende gebracht hatte.
»Ich bin nicht hier, um darüber zu diskutieren«, sagte sie. »Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass Sie von einer Anzeige absehen können. Betrachten Sie die Sache als erledigt.« Sie erhob sich, strich ihren Rock glatt. »Ich finde schon zur Tür.« Sie ließ die fassungslose Frau allein in ihrem dreckigen Wohnzimmer zurück.
Sie fühlte sich besser. Schon wieder ein gutes Stück besser.
Norbert lag auf der Matratze in dem winzigen Gästezimmer. Er starrte an die Decke, rührte sich nicht, sah einfach zu, wie die Dinge langsam an ihren Platz fielen.
Er hatte nicht lauschen wollen. Aber das Fenster war gekippt, darum hatte er jedes Wort gehört. Der Polizist hatte von eindeutiger Spurenlage gesprochen. Norbert hatte gehört, wie Stefanie gelogen hatte. So leicht und flüssig, dass es ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung erfüllte. Dabei musste sie doch wissen, dass es nichts nutzen würde.
Sie log um ihr Leben. Sie hatte unendlich viel zu verlieren. Die Erkenntnis war banal und hatte ihn trotzdem getroffen wie ein Faustschlag. Das war der Unterschied. Der alles entscheidende Unterschied zwischen ihm und Stefanie. Er hatte nichts zu verlieren. Schon lange nicht mehr.
Von diesem Punkt an schien alles plötzlich logisch und folgerichtig. Doch etwas in ihm sträubte sich noch. Ein letzter müder Rest des Mannes, der er nicht mehr war. Aber je länger er hier lag und nachdachte, desto bewusster wurde ihm ein tröstlicher Aspekt. Zum ersten und möglicherweise letzten Mal würde er die Feigheit überwinden und die, die er liebte, beschützen. Sich damit vielleicht selbst retten.
Es war eine Erleichterung, die Hoffnung, an die er sich geklammert hatte, endlich loszulassen. Stefanie würde nie mit ihm fortgehen. Sie würde ihn nicht lieben. Das änderte nichts an seinen Gefühlen, aber es war an der Zeit, die Hoffnung wirklich und endgültig zu begraben. Er musste nicht mehr kämpfen. Alles, was er jetzt noch wollte, war ein bisschen Zeit, um nachzudenken. Über das, was er ihr noch sagen musste. Sagen wollte. Ein letztes Mal.
Er hatte Angst, aber er war bereit. Bereit, die Sache endlich zu einem Ende zu bringen.
ACHTZEHN
Der Gestank nach Hundepisse war derart intensiv, dass es Elsa fast den Atem raubte. Mit angehaltenem Atem eilte sie ins Schlafzimmer. Sie musste sich umziehen. Das Erbärmliche des Hauses, das sie gerade verlassen hatte, schien an ihren Kleidern zu kleben. Sie beeilte sich, warf die dreckigen Sachen in den Wäschekorb. Dann ging sie nach oben.
Maxis Auto stand vor der Tür. Elsa rief nach ihr, sah in alle Räume. Keine Spur von ihr. Elsa verspürte einen Anflug von Sorge. Um sich zu beruhigen, setzte sie einen Kaffee auf. Wo immer Maxi war, sie würde sich freuen, wenn sie bei ihrer Heimkehr mit einer guten Tasse Kaffee begrüßt werden würde.
Sie überlegte gerade, ob sie sich einen Schluck Cognac genehmigen sollte, als es klingelte. Sie eilte zur Tür, Dieter stand da, nur Dieter, natürlich, denn Maxi benutzte ja ihren Schlüssel.
»Ich dachte mir, dass ich dich hier finde«, sagte er. »Es war
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